Handbuch der praktischen Genealogie/354: Unterschied zwischen den Versionen

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hatte.<ref>Ganz besonders verwirrend macht sich der Mangel einer scharfen juristischen Trennung der alten Aristokratie von den kleinen freien Grundbesitzern in den sonst adelsgeschichtlich höchst dankenswerten Untersuchungen Aloys Schultes und seiner Schüler über mittelalterliche Adelsverhältnisse fühlbar.</ref> Die Mehrzahl der deutschen Uradelsfamilien wäre danach ursprünglich den Vorfahren des einst dynastischen hohen Adels verfassungsrechtlich gleichgestellt gewesen und nur im Unterschied zu den altdynastischen Fürstenhäusern im 12. Jahrhundert „durch die Unfreiheit hindurchgegangen". Diese Ergebnisse beruhen auf Quellenstudien, die — wie das absolut nötig war — genealogisch sein sollten, aber nicht mit genügender genealogischer Kritik durchgeführt waren. Sie sind von Bode am gleichen Quellenmaterial einer streng genealogischen Kritik unterzogen und widerlegt worden.<ref>Vgl. Bode, Der Uradel in Ostfalen, 1912; eine Arbeit, die als Muster der Verwertung der genealogischen Methode für ständegeschichtliche Arbeiten bezeichnet werden kann; lediglich kritisch, ohne blendendes Resultat, aber für den Forscher und für jeden aufmerksamen orientierten Leser eine Fundgrube von wertvollen Schlaglichtern.</ref>


Gänzlich verfehlt ist es aber andererseits und muß als unwissenschaftlich zurückgewiesen werden, wenn andere Forscher jenen deutschen niederen Adel der staufischen Periode den Sklaven der Mamelukenhäuptlinge gleichgestellt und geradezu von „Sklavenheeren" der Hohenstaufen gesprochen haben (Heinrich VI. führte bekanntlich seine Kriege fast ganz mit nieder-adligen Rittern). Nach allem, was oben über die institutionelle Ausbildung des niederen Adels gesagt wurde, kann von einem derartigen Vergleich gar keine Rede sein. Auch hier läßt sich durch genealogische Erforschung einzelner Geschlechter die Zeichnung leicht korrigieren.
hatte.<ref>Ganz besonders verwirrend macht sich der Mangel einer scharfen juristischen Trennung der alten Aristokratie von den kleinen freien Grundbesitzern in den sonst adelsgeschichtlich höchst dankenswerten Untersuchungen Aloys Schultes und seiner Schüler über mittelalterliche Adelsverhältnisse fühlbar.</ref> Die Mehrzahl der deutschen Uradelsfamilien wäre danach ursprünglich den Vorfahren des einst dynastischen hohen Adels verfassungsrechtlich gleichgestellt gewesen und nur im Unterschied zu den altdynastischen Fürstenhäusern im 12. Jahrhundert „durch die Unfreiheit hindurchgegangen". Diese Ergebnisse beruhen auf Quellenstudien, die — wie das absolut nötig war — genealogisch sein sollten, aber nicht mit genügender genealogischer Kritik durchgeführt waren. Sie sind von Bode am gleichen Quellenmaterial einer streng genealogischen Kritik unterzogen und widerlegt worden.<ref>Vgl. ''Bode'', Der Uradel in Ostfalen, 1912; eine Arbeit, die als Muster der Verwertung der genealogischen Methode für ständegeschichtliche Arbeiten bezeichnet werden kann; lediglich kritisch, ohne blendendes Resultat, aber für den Forscher und für jeden aufmerksamen orientierten Leser eine Fundgrube von wertvollen Schlaglichtern.</ref>


Die Frage des rechtlichen und des tatsächlichen Abschlusses der ritterlichen und niederadeligen Gesellschaft konnte erst in der nachstaufischen Zeit akut werden. Solange dieser Adel erst geschaffen werden mußte, wurde nicht lange nach den Ahnen und nach früherer rechtlicher Lage der Leute gefragt, die man zu Rittern machte, weil man Ritter brauchte.
{{NE}}Gänzlich verfehlt ist es aber andererseits und muß als unwissenschaftlich zurückgewiesen werden, wenn andere Forscher jenen deutschen niederen Adel der staufischen Periode den Sklaven der Mamelukenhäuptlinge gleichgestellt und geradezu von „Sklavenheeren" der Hohenstaufen gesprochen haben (Heinrich VI. führte bekanntlich seine Kriege fast ganz mit niederadligen Rittern). Nach allem, was oben über die institutionelle Ausbildung des niederen Adels gesagt wurde, kann von einem derartigen Vergleich gar keine Rede sein. Auch hier läßt sich durch genealogische Erforschung einzelner Geschlechter die Zeichnung leicht korrigieren.


===4.  Die Genealogie und das Ständerecht des späteren Mittelalters.===
{{NE}}Die Frage des rechtlichen und des tatsächlichen Abschlusses der ritterlichen und niederadeligen Gesellschaft konnte erst in der nachstaufischen Zeit akut werden. Solange dieser Adel erst geschaffen werden mußte, wurde nicht lange nach den Ahnen und nach früherer rechtlicher Lage der Leute gefragt, die man zu Rittern machte, weil man Ritter brauchte.


Die Kaiser und die Großen des Reichs,  die  alle  möglichen  Leute  zu Rittern machten und die ihre besten Dienstmannen gar nicht genug mit Besitz und Einfluß ausstatten konnten, kamen dabei in Konflikt mit den kleineren Dynasten: denen waren die mächtigsten der neuen Adeligen materiell vollkommen gleichgerückt, außerdem durch das gemeinsame Lehnrecht auch rechtlich ebenbürtig geworden; sie mußten sich in ihrem gesellschaftlichen Bestande bedroht fühlen. Das brachte sie in Opposition zu den Regierungen der größeren Fürsten, die den neuen Adel in jeder Weise förderten.
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==== 4.  Die Genealogie und das Ständerecht des späteren Mittelalters. ====
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Deshalb und auch noch aus manchen anderen Gründen war der alte dynastische Adel den Fürsten des Reichs im Wege; und obwohl es sich um ihre engsten Standesgenossen und teilweise um nahe Verwandte handelte, haben die Fürsten seit Mitte des 12. Jahrhunderts die weniger mächtigen
{{randtextre|Die Genealogie und das Ständerecht des späteren Mittelalters.}}{{NE}}Die Kaiser und die Großen des Reichs,  die  alle  möglichen  Leute  zu Rittern machten und die ihre besten Dienstmannen gar nicht genug mit Besitz und Einfluß ausstatten konnten, kamen dabei in Konflikt mit den kleineren Dynasten: denen waren die mächtigsten der neuen Adeligen materiell vollkommen gleichgerückt, außerdem durch das gemeinsame Lehnrecht auch rechtlich ebenbürtig geworden; sie mußten sich in ihrem gesellschaftlichen Bestande bedroht fühlen. ''Das brachte sie in Opposition zu den Regierungen der größeren Fürsten, die den neuen Adel in jeder Weise förderten''.
 
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Aktuelle Version vom 23. September 2012, 09:17 Uhr

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Handbuch der praktischen Genealogie
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Band 2
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hatte.[1] Die Mehrzahl der deutschen Uradelsfamilien wäre danach ursprünglich den Vorfahren des einst dynastischen hohen Adels verfassungsrechtlich gleichgestellt gewesen und nur im Unterschied zu den altdynastischen Fürstenhäusern im 12. Jahrhundert „durch die Unfreiheit hindurchgegangen". Diese Ergebnisse beruhen auf Quellenstudien, die — wie das absolut nötig war — genealogisch sein sollten, aber nicht mit genügender genealogischer Kritik durchgeführt waren. Sie sind von Bode am gleichen Quellenmaterial einer streng genealogischen Kritik unterzogen und widerlegt worden.[2]

      Gänzlich verfehlt ist es aber andererseits und muß als unwissenschaftlich zurückgewiesen werden, wenn andere Forscher jenen deutschen niederen Adel der staufischen Periode den Sklaven der Mamelukenhäuptlinge gleichgestellt und geradezu von „Sklavenheeren" der Hohenstaufen gesprochen haben (Heinrich VI. führte bekanntlich seine Kriege fast ganz mit niederadligen Rittern). Nach allem, was oben über die institutionelle Ausbildung des niederen Adels gesagt wurde, kann von einem derartigen Vergleich gar keine Rede sein. Auch hier läßt sich durch genealogische Erforschung einzelner Geschlechter die Zeichnung leicht korrigieren.

      Die Frage des rechtlichen und des tatsächlichen Abschlusses der ritterlichen und niederadeligen Gesellschaft konnte erst in der nachstaufischen Zeit akut werden. Solange dieser Adel erst geschaffen werden mußte, wurde nicht lange nach den Ahnen und nach früherer rechtlicher Lage der Leute gefragt, die man zu Rittern machte, weil man Ritter brauchte.

4. Die Genealogie und das Ständerecht des späteren Mittelalters.

Die Genealogie und das Ständerecht des späteren Mittelalters.      Die Kaiser und die Großen des Reichs, die alle möglichen Leute zu Rittern machten und die ihre besten Dienstmannen gar nicht genug mit Besitz und Einfluß ausstatten konnten, kamen dabei in Konflikt mit den kleineren Dynasten: denen waren die mächtigsten der neuen Adeligen materiell vollkommen gleichgerückt, außerdem durch das gemeinsame Lehnrecht auch rechtlich ebenbürtig geworden; sie mußten sich in ihrem gesellschaftlichen Bestande bedroht fühlen. Das brachte sie in Opposition zu den Regierungen der größeren Fürsten, die den neuen Adel in jeder Weise förderten.

      Deshalb und auch noch aus manchen anderen Gründen war der alte dynastische Adel den Fürsten des Reichs im Wege; und obwohl es sich um ihre engsten Standesgenossen und teilweise um nahe Verwandte handelte, haben die Fürsten seit Mitte des 12. Jahrhunderts die weniger mächtigen


  1. Ganz besonders verwirrend macht sich der Mangel einer scharfen juristischen Trennung der alten Aristokratie von den kleinen freien Grundbesitzern in den sonst adelsgeschichtlich höchst dankenswerten Untersuchungen Aloys Schultes und seiner Schüler über mittelalterliche Adelsverhältnisse fühlbar.
  2. Vgl. Bode, Der Uradel in Ostfalen, 1912; eine Arbeit, die als Muster der Verwertung der genealogischen Methode für ständegeschichtliche Arbeiten bezeichnet werden kann; lediglich kritisch, ohne blendendes Resultat, aber für den Forscher und für jeden aufmerksamen orientierten Leser eine Fundgrube von wertvollen Schlaglichtern.