Handbuch der praktischen Genealogie/336: Unterschied zwischen den Versionen

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und ebenso durch die Gesetzgebung wohl aller zivilisierten Staaten scharf und unzweideutig festgestellt, wann wir es mit einer zivilrechtlichen vollkommenen, wann mit einer sogenannten natürlichen außerehelichen unvollkommenen Verwandtschaft zu tun haben. Allein schon im allgemeinen Adelsrecht tauchen dabei Fragen auf, die das bürgerliche Recht nicht überall entscheidet. Bei uns steht es fest, daß Adoption die besonderen Adelsprädikate eines Namens nicht ohne weiteres überträgt, aber im Ausland ist das mitunter der Fall. Wie nun, wenn der Nichtadlige, der im Ausland durch Adoption ein Adelsprädikat erworben hat, in Deutschland für sich den Adel beansprucht? Und ganz allgemein: ist das wohlerworbene ausländische Adelsprädikat unter allen Umständen bei uns ein Titel für den Anspruch auf Zugehörigkeit zum Adel? Das sind Fragen, die heute viel häufiger als allgemein bekannt zur Entscheidung kommen; z. B. wo für eine Fideikommiß-nachfolge adelige Ahnen verlangt sind, wo die Ehrenstellung eines Kämmerers, eines Johanniterordensritters u. dergl. Adel oder adelige Ahnen erfordert. Nur die Genealogie kann da an der Hand ihres reichen historischen Vergleichsmaterials und mit Hilfe ihrer Kenntnis jahrhundertealter bestimmter Übung bei uns und im Ausland die Rechtswissenschaft mit entscheidenden Gesichtspunkten und Maßstäben auf den rechten Weg führen.


Unentbehrlicher noch sind genealogische Forschung und genealogische Kritik für das Fürstenrecht. Schon durch die vielumstrittene Einrichtung der Ebenbürtigkeit, die in jedem modernen Monarchenrecht eine Rolle spielt und in vielen Staatsverfassungen ausdrücklich aufgenommen ist, sieht sich die Fürstenrechtswissenschaft auf die Genealogie als wegweisende Hilfswissenschaft angewiesen; denn nur die Forschungen der Genealogen können hier den Rechtsgelehrten und den Richter vor Urteilen bewahren, die sich mit der traditionellen Rechtsüberzeugung, dem Rückgrat allen Adelsrechts, in Widerspruch setzen: im Adelsrecht sind eben heute noch Anschauungen und Grundsitze rechtserheblich, die das moderne Recht im übrigen durch die formelle Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz hinweggeräumt hat.
und ebenso durch die Gesetzgebung wohl aller zivilisierten Staaten scharf und unzweideutig festgestellt, wann wir es mit einer zivilrechtlichen vollkommenen, wann mit einer sogenannten natürlichen außerehelichen unvollkommenen Verwandtschaft zu tun haben. Allein schon im allgemeinen Adelsrecht tauchen dabei Fragen auf, die das bürgerliche Recht nicht überall entscheidet. Bei uns steht es fest, daß Adoption die besonderen Adelsprädikate eines Namens nicht ohne weiteres überträgt, aber im Ausland ist das mitunter der Fall. Wie nun, wenn der Nichtadlige, der im Ausland durch Adoption ein Adelsprädikat erworben hat, in Deutschland für sich den Adel beansprucht? Und ganz allgemein: ist das wohlerworbene ausländische Adelsprädikat unter allen Umständen bei uns ein Titel für den Anspruch auf Zugehörigkeit zum Adel? Das sind Fragen, die heute viel häufiger als allgemein bekannt zur Entscheidung kommen; z. B. wo für eine Fideikommißnachfolge adelige Ahnen verlangt sind, wo die Ehrenstellung eines Kämmerers, eines Johanniterordensritters u. dergl. Adel oder adelige Ahnen erfordert. Nur die Genealogie kann da an der Hand ihres reichen historischen Vergleichsmaterials und mit Hilfe ihrer Kenntnis jahrhundertealter bestimmter Übung bei uns und im Ausland die Rechtswissenschaft mit entscheidenden Gesichtspunkten und Maßstäben auf den rechten Weg führen.


In allen diesen modernen Rechtsfragen ist die Genealogie immerhin nur ein methodisches Hilfsmittel der Rechtswissenschaft. Sie ist heute nicht mehr berufen, Rechtsregeln aufzubauen, sondern hilft nur die Sätze des geltenden Rechts richtig, sinngemäß anzuwenden; so vor allem, wenn sie hilft, einen gesetzlich verlangten Filiationsbeweis oder Verwandtschaftsbeweis aufzustellen in Fällen, in denen ein einfaches Zusammenstellen von Geburts- und Heiratsurkunden nicht ausreicht, um Rechte über alle Zweifel sicher zu begründen. Eine viel wichtigere Rolle spielt die Genealogie in der Rechtsgeschichte. Für die Verfassungsgeschichte ganzer Jahrhunderte, und zwar ganz besonders für die deutsche, liefert die Genealogie heute die Grundlage der historischen Rekonstruktion ehemaliger öffentlicher Rechtszustände. Man kann geradezu sagen, daß die ganze Entwicklung der deutschen Staatsverfassung bis weit über das Mittelalter hinaus eine fortwährende Verschiebung der ständerechtlichen Verhältnisse ist. Um zu sehen, wie diese Verschiebung
{{NE}}Unentbehrlicher noch sind genealogische Forschung und genealogische Kritik für das Fürstenrecht. Schon durch die vielumstrittene Einrichtung der Ebenbürtigkeit, die in jedem modernen Monarchenrecht eine Rolle spielt und in vielen Staatsverfassungen ausdrücklich aufgenommen ist, sieht sich die Fürstenrechtswissenschaft auf die Genealogie als wegweisende Hilfswissenschaft angewiesen; denn nur die Forschungen der Genealogen können hier den Rechtsgelehrten und den Richter vor Urteilen bewahren, die sich mit der traditionellen Rechtsüberzeugung, dem Rückgrat allen Adelsrechts, in Widerspruch setzen: im Adelsrecht sind eben heute noch Anschauungen und Grundsätze rechtserheblich, die das moderne Recht im übrigen durch die formelle Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz hinweggeräumt hat.
 
{{NE}}In allen diesen modernen Rechtsfragen ist die Genealogie immerhin nur ein methodisches Hilfsmittel der Rechtswissenschaft. Sie ist heute nicht mehr berufen, Rechtsregeln aufzubauen, sondern hilft nur die Sätze des geltenden Rechts richtig, sinngemäß anzuwenden; so vor allem, wenn sie hilft, einen gesetzlich verlangten Filiationsbeweis oder Verwandtschaftsbeweis aufzustellen in Fällen, in denen ein einfaches Zusammenstellen von Geburts- und Heiratsurkunden nicht ausreicht, um Rechte über alle Zweifel sicher zu begründen. Eine viel wichtigere Rolle spielt die Genealogie in der Rechtsgeschichte. Für die Verfassungsgeschichte ganzer Jahrhunderte, und zwar ganz besonders für die deutsche, liefert die Genealogie heute die Grundlage der historischen Rekonstruktion ehemaliger öffentlicher Rechtszustände. Man kann geradezu sagen, daß die ganze Entwicklung der deutschen Staatsverfassung bis weit über das Mittelalter hinaus eine fortwährende Verschiebung der ständerechtlichen Verhältnisse ist. Um zu sehen, wie diese Verschiebung

Aktuelle Version vom 19. September 2012, 11:32 Uhr

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
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und ebenso durch die Gesetzgebung wohl aller zivilisierten Staaten scharf und unzweideutig festgestellt, wann wir es mit einer zivilrechtlichen vollkommenen, wann mit einer sogenannten natürlichen außerehelichen unvollkommenen Verwandtschaft zu tun haben. Allein schon im allgemeinen Adelsrecht tauchen dabei Fragen auf, die das bürgerliche Recht nicht überall entscheidet. Bei uns steht es fest, daß Adoption die besonderen Adelsprädikate eines Namens nicht ohne weiteres überträgt, aber im Ausland ist das mitunter der Fall. Wie nun, wenn der Nichtadlige, der im Ausland durch Adoption ein Adelsprädikat erworben hat, in Deutschland für sich den Adel beansprucht? Und ganz allgemein: ist das wohlerworbene ausländische Adelsprädikat unter allen Umständen bei uns ein Titel für den Anspruch auf Zugehörigkeit zum Adel? Das sind Fragen, die heute viel häufiger als allgemein bekannt zur Entscheidung kommen; z. B. wo für eine Fideikommißnachfolge adelige Ahnen verlangt sind, wo die Ehrenstellung eines Kämmerers, eines Johanniterordensritters u. dergl. Adel oder adelige Ahnen erfordert. Nur die Genealogie kann da an der Hand ihres reichen historischen Vergleichsmaterials und mit Hilfe ihrer Kenntnis jahrhundertealter bestimmter Übung bei uns und im Ausland die Rechtswissenschaft mit entscheidenden Gesichtspunkten und Maßstäben auf den rechten Weg führen.

      Unentbehrlicher noch sind genealogische Forschung und genealogische Kritik für das Fürstenrecht. Schon durch die vielumstrittene Einrichtung der Ebenbürtigkeit, die in jedem modernen Monarchenrecht eine Rolle spielt und in vielen Staatsverfassungen ausdrücklich aufgenommen ist, sieht sich die Fürstenrechtswissenschaft auf die Genealogie als wegweisende Hilfswissenschaft angewiesen; denn nur die Forschungen der Genealogen können hier den Rechtsgelehrten und den Richter vor Urteilen bewahren, die sich mit der traditionellen Rechtsüberzeugung, dem Rückgrat allen Adelsrechts, in Widerspruch setzen: im Adelsrecht sind eben heute noch Anschauungen und Grundsätze rechtserheblich, die das moderne Recht im übrigen durch die formelle Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz hinweggeräumt hat.

      In allen diesen modernen Rechtsfragen ist die Genealogie immerhin nur ein methodisches Hilfsmittel der Rechtswissenschaft. Sie ist heute nicht mehr berufen, Rechtsregeln aufzubauen, sondern hilft nur die Sätze des geltenden Rechts richtig, sinngemäß anzuwenden; so vor allem, wenn sie hilft, einen gesetzlich verlangten Filiationsbeweis oder Verwandtschaftsbeweis aufzustellen in Fällen, in denen ein einfaches Zusammenstellen von Geburts- und Heiratsurkunden nicht ausreicht, um Rechte über alle Zweifel sicher zu begründen. Eine viel wichtigere Rolle spielt die Genealogie in der Rechtsgeschichte. Für die Verfassungsgeschichte ganzer Jahrhunderte, und zwar ganz besonders für die deutsche, liefert die Genealogie heute die Grundlage der historischen Rekonstruktion ehemaliger öffentlicher Rechtszustände. Man kann geradezu sagen, daß die ganze Entwicklung der deutschen Staatsverfassung bis weit über das Mittelalter hinaus eine fortwährende Verschiebung der ständerechtlichen Verhältnisse ist. Um zu sehen, wie diese Verschiebung