Nettschunen (Kr.Ragnit)

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Disambiguation notice Nettschunen ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Nettschunen (Begriffsklärung).
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Wappen der Stadt Ragnit

Nettschunen

1938 Umbenennung in D a m m f e l d e
Kreis Tilsit Ragnit, Ostpreußen
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Landstraße mit Sommerweg im Kreis Ragnit


Hierarchie


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Ansichtskarte aus Dammfelde (bis 1938 Nettschunen)

Einleitung

Getreideernte im Kreis Tilsit-Ragnit

Nettschunen, 1938 in Dammfelde umbenannt, wird von Klein Lenkeningken, Groß Lenkeningken, Lobellen, Ackerbach (Dirwonuppen), Fuchshöhe (Jucknaten), und Unter-Eißeln-Trakas umgrenzt. Das kleine Dorf liegt südöstlich von Ragnit nicht weit von der Lasdehner Chaussee entfernt. Bis zum Kirchspielort Groß Lenkeningken waren es fünf Kilometer.

Name

Nettschunen (Kreis Ragnit), Ostpreußen

Andere Namen und Schreibweisen

Erntezeit in Ostpreußen

Namensdeutung

Nettschunen bedeutet unsauber.

  • preußisch-litauisch "nečiuinus" = unsauber, unreinlich, häßlich

Allgemeine Information

Kinder in Ostpreußen
  • Dorf, 20 km südöstlich von Tilsit, 1939: 247 Einwohner, gegründet 1732 [1]

Politische Einteilung / Zugehörigkeit.

Kirchliche Zugehörigkeit

Geschichte

Anfänge des Dorfes

Nettschunen gehört zu den ältesten Dörfern des Kirchspiels Groß Lenkeningken. Daß zumindest der Ortskern des Dorfes mehrere hundert Jahre existiert, wird nicht nur durch einige mehrere Jahrhunderte alte Häuser bewiesen, die bei der Räumung dieses ausgesprochenen Bauerndorfs 1944 noch standen und wahrscheinlich aus der Zeit der Einwanderung der Salzburger im Jahre 1732 stammen, sondern auch durch alte Urkunden aus den Ragniter Kirchenbüchern.

Neueren Datums sind in Nettschunen die Abbauten, die an Groß Lenkeningken und Klein Lenkeningken angrenzen.
Diese gehörten früher zur sogenannten Kupstinus, die est vor etwa 130 Jahren urbar gemacht und bebaut wurde.

Erster und Zweiter Weltkrieg

Über Verluste im Ersten Weltkrieg ist nur bekannt, dass unter den Soldaten einige Gefallene zu verzeichnen waren. Zivilpersonen sind keine ums Leben gekommen.

Der Zweite Weltkrieg hat erhebliche Opfer gefordert. Viele junge Männer aus Nettschunen sind im Kampf gefallen oder in der Gefangenschaft gestorben. Es waren dies: Kurt Becker, Bruno Fergee, Arno Fuchs, Willy Englins, Werner Hungerecker, Erich Maurer, Egon Müller, Alfred Nekat, Arno Nekat, Erich Nekat, Siegfried Pieck, Oskar Rimkus und Heinz Sillus. [3]

Räumung

Die Zivilbevölkerung des Dorfes Nettschunen erhielt am 12.10.1944 den Räumungsbefehl und am 14.10.1944 setzte sich ein Treck unter dem Bezirksbauernführer Pieck zu dem vorgesehenen Aufnahmeort Schillgehnen, Kreis Braunsberg, in Bewegung. Nach wenigen Tagen hatte der Treck den Kreis Braunsberg ohne besondere Vorkommnisse erreicht. In Schillgehenen blieben die meisten Nettschuner bis zum Näherrücken der Russen und der im Februar angesetzten Räumung von Stadt und Land Braunsberg.

Es begann nun mit der Fahrt über das schon brüchig werdende Eis des Frischen Haffs als letzter Fluchtweg für die Trecks aus der ostpreußischen Heimat eine wahre Leidenszeit und es erreichten, ohne von den Russen später überrollt zu werden, nur wenige Familien das westliche Ufer der Elbe und damit die eigene Sicherheit.

So verlor Herr Gudjons vor Stutthof seinen Schwiegervater, es verstarben auf der Flucht Helene Fergee, Albert August und Ferdinand Meyer. Die Russen erschossen in Sadlacken Frau Erna Nekat und trieben folgende von ihnen überrollte Familien in ihren Heimatort zurück: Max Gudjons und Frau, Karl Rasokat und Frau, Christoph Philepeit nebst Frau und der verheirateten Tochter Emma Wermbter, Frau Emma Rieck und Frau Auguste Lokau mit ihren vier Kindern. Dort in der Heimat sind dann an den Entbehrungen verstorben das Ehepaar Philepeit und Frau Gudjons.

Letztere war zusammen mit ihrem Mann mit dem Wagen bis Schmellnow bei Karthaus in Westpreußen gekommen, wo sie bei den Russen Pferde und Wagen sowie den größten Teil ihrer Habseligkeiten loswurden. Die Polen haben dann, als sie am 28.05.1945 wieder zur Rückkehr in die Heimat aufbrachen, ihnen die letzten Habseligkeiten geraubt, sogar die Medizin von Frau Gudjons, die sie sehr nötig brauchte.

Anderen Familien ging es nicht viel besser. Die Familien Rasokat, Gudjons und Frau Lokau mit ihren Kindern trafen etwa zu gleicher Zeit, Anfang Juni 1945, teilweise nur einen Handwagen hinter sich herziehend, in Nettschunen ein, etwas später kamen die anderen Nettschuner, Lenkeninker usw.., teilweise, wie Straßenwärter Kalkus und Wilhelm Blank, zu Fuß mit dem Handwagen aus Sachsen.

Zurück in der Heimat grüßten viele abgebrannte Gehöfte und in jedem Ort eine rote Tafel mit schwarzer Schrift, die die Russen angebracht hatten mit der Aufschrift: “Deutsche, jetzt heißt es arbeiten, ob die Menschenwürde zu erwerben.
Jeder Heimkehrer wußte nun, was ihm blühen würde.

Rasokat und Gudjons haben, in der Heimat angekommen, mit einem Dreschkasten bei Hungerecker, dann bei Juschka, Scheide und Pieck gedroschen, so lange etwas da war. Im August schon hörte es damit auf und nun lebten alle, die dort waren, versehen mit Roggen und Kartoffeln, doch ohne ein Gramm Fett bis zum März 1946. Als eine Kolchose eingerichtet werden sollte, siedelten sie nach Groß Lenkeningken über und arbeiteten im dortigen Sägewerk Kröhnert bis zu ihrer Ausweisung durch die Russen.

Doch vorher, am 08.05.1946, brannten Zivilrussen noch die Scheune von Herrn Gudjons ab und alle Sachen, die notdürftig gesammelt und in der Scheune versteckt gewesen waren, darunter etwa 10 Zentner Korn, verbrannten restlos. Russische Soldaten rissen noch das letzte weg, und die in Nettschunen gepflanzten Kartoffeln, Bohnen, Erbsen und Gemüse durften nicht nach Groß Lenkeningken mitgenommen werden. [3]

Bewohner.png Bewohner

Nach 1732 haben sich auch in der Gemarkung Nettschunen
Salzburger Exulanten niedergelassen.
B e w o h n e r um 1736
Nassauer, Franken und Salzburger
  • Christoph Hungerecker
Halberstädter, Pommern, Märker und andere Deutsche
  • Hans Heinrich Märding, Christoff Rubbel, Christoff Bruchling,
    Christoph Schrader, Henning Bluhm, Johann Heinrich Bluhm,
    Andres Schrader
Auszüge aus dem Ragniter Trauregister Nr. 8:
  • 1787 heiratete die damals 20jährige Elsbeta Szimasze,
    Tochter des Bauern Willy Szimatis aus Neszunen,
    den damaligen 24 Jahre alten Ansas Gerke.
    Aus dieser Ehe entsprang am 9.4.1791 zu Neszunen ein Sohn, Juris Gerke.
Diese beiden Familien also, Szimatis und Gerke gehören nachweisbar zu den ältesten
dort wohnhaft gewesenen bäuerlichen Familien.
Zu vermuten ist weiterhin, daß die Vorfahren der bei der Räumung 1944 noch dort
ansässig gewesenen Bauernfamilien Becker und Hungerecker Salzburger Einwanderer
gewesen sind, die 1732 ihres evangelischen Glaubens wegen ihre Heimat verlassen haben. [3]

Ortsbeschreibung

Dorf Nettschunen

Bevor die Chaussee Ragnit - Ober Eißeln - Juckstein - Lasdehnen entstand, wurde in erster Linie, wenn man aus der Kreisstadt Ragnit kam, der alte Landweg benutzt, der am Anwesen des Karl Fischer in Unter-Eißeln-Trakas rechts abbog und dann Juschka und Korth rechts liegen lassend in den Ortskern des Dorfes führte. Größter Besitz war der des Bezirksbauernführers Otto Pieck mit etwa 330 Morgen [4] Es folgten Becker mit 18 Morgen und Hungerecker mit ca. 120 Morgen. Zwischen 50 - 100 Morgen besaßen: Gudjons, Max Redetzky, Otto Endrejat, Rimkus und Wermbter. Ein großer Teil der bäuerlichen Betriebe besaß Stromwiesen.

Mitten im Dorf gab es eine Gastwirtschaft mit Ausspannung und Kolonialwarenhandlung. Sie gehörte Bruno Bollmann, einem Sohn des dortigen ersten Lehrers. Der Saal wurde vorwiegend als Versammlungsort und auch als eine willkommene Einkehr durch die Bevölkerung ständig und gern genutzt. Auch die Manöverbälle der Soldaten der Tilsiter Garnison wurden von den hiesigen Einwohnern in den Gasträumen angenommen und mitgefeiert.

Nettschunen besaß eine im Ortskern gelegene zweitklassige Schule. Ursprünglich war die vor 1900 gebaute Schule einklassig gewesen, doch bei der Zunahme der Bevölkerung wurde eine zweite Klasse erforderlich. Neben den Kindern des eigenen Dorfes besuchten Kinder der angrenzenden Dörfer Lobellen, Fuchshöhe und Ackerbach, die zum Schulverband Nettschunen gehörten, ebenalls die Schule. Früher, bevor die Trakas-Schule in Unter Eißeln eingerichtet wurde, nahmen auch Schüler aus den Abbauten von Unter Eißeln am Schulunterricht in Nettschunen teil. Die Schülerzahl schwankte zwischen 50 bis 60.

Mit einer der ersten Lehrer in Nettschunen war Herr Bremer, dem nach einer langen Tätigkeit Herr Bollmann folgte. In dessen Amtszeit wurden auch einige Umbauten ausgeführt. Letzter Lehrer war Herr Petrat, der etwa 1940 zur Wehrmacht einberufen wurde. Er wurde vertreten durch Fräulein Gudjons, die heute (1967) auf Lebenszeit beim Hamburger Senat angestellt ist.

Die Dorfstraße in Ackerbach im Juni 1944

Letzter Bürgermeister und zugleich Ortsbauernführer war der im Jahre 1919 zugezogene Karl Rasokat. Bei der Räumung des Dorfes gehörten zu einer 528 ha großen Fläche 38 Hofstellen sowie zwei Tischlereien und eine Gastwirtschaft, verbunden mit Landbesitz. Die Einwohnerzahl betrug 260. [3]

Ackerbach und Fuchshöhe

Fuchshöhe, MTB Hohensalzburg 1938

Zum Schulverband Nettschunen gehörten, wie bereits erwähnt, neben Lobellen auch die beiden kleinen Dörfer Ackerbach (bis 1938 Dirwonuppen) und Fuchshöhe (bis 1938 Jucknaten). Es waren dieses ausgesprochene Bauerndörfer mit schwerem Ackerboden ohne eigene Schule oder gewerbliche Betriebe. Der Schulweg war weit und im Winter und bei schlechtem Wetter für die Kinder eine Strapaze. Noch weiter als der Schulbesuch war der Weg zum Konfirmandenunterricht.

In Ackerbach gab es u.a. vier gr0ße Bauernwirtschaften, und zwar Emil Schrader, Eugen Schrader, zugleich Bürgermeister, Neufang (Pächter Erzberger) und Teichert, sowie die entsprechenden Deputantenfamilien und Hauspersonal.

In Fuchshöhe war E. Broszeit mit ca. 350 Morgen größter Bauer. Ferner waren dort: Loseries, zugleich Bürgermeister, Bertuleit, Hölzner, Holz, Riedalsberger und Zizanko, mit entsprechendem Peronal. Ackerbach und Fuchshöhe gehörten wie Nettschunen zum Kirchspiel Groß Lenkeningken. Wann diese beiden Dörfer entstanden sind, ist nicht überlieferrt, auch ist nicht bekannt, welche Verluste die beiden Gemeinden im Zweiten Weltkrieg und auf der Flucht erlitten. [3]

Dammfelde, ehemaliger Friedhof [5]

Heutige Situation

Besonders in letzter Zeit ist von Besuchern in Wort und Bild bestätigt worden, daß im Dorf Nettschunen alle Wohnhäuser restlos abgebrochen oder abgebrannt sind. Das Dorfgelände ist also dem Erdboden gleichgemacht worden. Nur ein Wohnhaus, ehemals Richard Schwarzkopf gehörend, wird noch von einem russischen Rentner unter besonders schwierigen und ärmlichen Lebensbedingungen bewohnt. Er war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Nettschunen umgesiedelt worden.

R. Hungerecker hat im Mai 1999 den Nettschuner Friedhof aufgesucht. Es sind keine Grabsteine mehr vorhanden. Alle sichtbaren Anzeichen deuten heute darauf hin, daß eine Schändung der Ruhestätten durch rücksichtslose Plünderer erfolgt ist. Diese Feststellung haben die ehemaligen Bewohner des Dorfes, die ihre Heimat nach der Wende besucht haben, leider mehrfach bestätigen müssen. [6]


Verschiedenes

Karten


Netschunen auf der Schroetterkarte
(1796-1802), Maßstab 1:500.000
© Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Nettschunen auf dem Messtischblatt Budwethen (Stand 1934)


Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

<gov>DAMLDEKO14CX</gov>

Quellen

  1. Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
  2. Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Ernst Hofer, Am Memelstrom und Ostfluß, Düsseldorf 1967
  4. Ein „Preußischer Morgen“ ist eine Fläche, die mit einem Ochsen vor dem Pflug, an einem Vormittag gepflügt werden kann. Das sind etwa 2.553 Quadratmeter Flächeninhalt oder 180 Quadratruten (13,4 x 13,4 Ruten), ¼ Hektar, 25 Ar, eine Fläche von 50 x 50 m.
  5. Der eingeebnete Friedhof von Dammfelde und die Straße nach Ragnit (Bild: R. Hungerecker - Aufnahme 1999)
  6. Bericht von Herbert Korth, Freiberg, Quelle : Heimatrundbrief "Land an der Memel" Nr. 66/2000