Die Kirchenbücher im Königreich Sachsen (1901)/E-Book
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Die Kirchenbücher im Königreich Sachsen (1901) | |
Autor(en): | Franz Blanckmeister |
Titel: | Die Kirchenbücher im Königreich Sachsen |
in: | Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 15 |
Verlag: | Johann Ambrosius Barth |
Druck: | Pöschl & Trepte in Leipzig |
Ort: | Leipzig |
Jahr: | 1901 |
Seiten: | S. 27–210 |
Sonstiges: | Sonderdruck |
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Pfarrer an der Trinitatiskirche in Dresden.
aus Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. 15. Heft.
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Bis in die neueste Zeit herein galten die Kirchenbücher als Aschenbrödel unter den Denkmalen der Vorzeit. Man achtete sie für viel zu gering, als dass man sie wissenschaftlicher Prüfung und Verwertung für würdig gehalten hätte. Mit wenig Ausnahmen ist die Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts ihre Wege gegangen, ohne sich um diese wertvollen Dokumente zu kümmern, deren Studium zur Kenntnis der Zustände der letzten vier Jahrhunderte unerlässlich ist und dem Kirchen- und Kulturhistoriker reiche Erträgnisse liefert.[2] Erst im letzten Jahrzehnt hat man ihren Wert erkannt, die Kirchenbücher der deutschen Lande planmässig nach Bestand und Alter inventarisiert und nach ihrem Inhalt durchforscht. Es ist das Verdienst der deutschen Geschichte- und Altertumsvereine, diese mühevolle aber notwendige und dankenswerte Arbeit aufgenommen und bereits zum guten Teile vollendet, und das Verdienst der Generalversammlungen des Gesamtvereins dieser Vereine, diese Studien und Bestrebungen verständnisvoll geleitet zu haben. Auf die Anregung und unter den Auspicien des Gesamtvereins sind die Kirchenbücher folgender Länder und Provinzen meist mit Unterstützung der Behörden bereits bearbeitet worden: Pommern, Provinz Sachsen, Provinz Hessen, Neumark, Niederlausitz, Grossherzogtum Hessen, Baden, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Sachsen-Weimar, Herzogtum Braunschweig, Anhalt, Coburg-Gotha, Altenburg, Fürstentum Lippe, Waldeck, Schwarzburg-Rudolstadt, (28 ≡)
Schwarzburg-Sondershausen, Reuss ä. L., Schaumburg-Lippe, Frankfurt a. M., Schweiz.[3] Die Kirchenbücher mehrerer anderer Provinzen und Lande sind in Bearbeitung, und es steht zu hoffen, dass in Kürze das gesamte Material, wenn auch zerstreut in den verschiedensten Zeitschriften, gedruckt vorliegen wird, so dass eine Übersicht über das ganze reiche Gebiet hergestellt werden kann. Was die Kirchenbücher im Königreich Sachsen betrifft, so hatte sich der Verfasser dieser Abhandlung ihnen bereits vor Jahren zugewandt und durch die Güte vieler Pfarrämter der Landeskirche umfängliche Materialien gesammelt, auch in den Geschäftsakten des kgl. Hauptstaatsarchivs in Dresden Loc. 8. „Zustand und Ordnung der Pfarrarchive betr." 1877 f. 4 Vol., in welchen über das Vorhandensein alter Urkunden in den sächsischen Pfarrarchiven von den Pfarrämtern Bericht erstattet ist, manche wertvolle Angabe gefunden. Die Ergebnisse seiner Studien hat er in einer kleiner Schrift veröffentlicht: "Die sächsischen Kirchenbücher. Leipzig 1893, Fr. Richter. 22 S. 80", viertes Heft der Sammlung: „Aus dem kirchlichen Leben des Sachsenlandes. Kulturbilder aus vier Jahrhunderten von F. Blanckmeister." Dieser Arbeit lag indessen nicht das vollständige Material zu Grunde, auch lag es nicht in ihrer Absicht, die Kirchenbücher aus neuerer Zeit in das Bereich der Forschung zu ziehen, sondern wesentlich nur die alten und ältesten Kirchenbücher zu registrieren und darzuthun, in welcher Weise die kirchlichen und staatlichen Behörden auf die Führung von Kirchenbüchern in Sachsen Einfluss gehabt hatten. Schon damals, zumal auf die freundliche Aufnahme hin, die das Schriftchen fand, war dem Verfasser klar, dass eine Inventarisation aller Kirchenbücher Sachsens nach(29 ≡)
wissenschaftlichen Grundsätzen eine Notwendigkeit sei. Ebensowenig aber verhehlte er sich, dass eine solche nur mit Hilfe der kirchlichen Behörden und der Zentralstelle für sächsische Urkundenforschung, des kgl. Hauptstaatsarchivs, bewerkstelligt werden könnte. In diesen Erwägungen traf mit ihm zusammen Herr Regierungsrat Dr. Ermisch vom kgl. Hauptstaatsarchiv, bot ihm in dankenswerter Weise die Unterstützung desselben bei Anstellung von Erhebungen über die sächsischen Kirchenbücher an und übernahm es, mit dem Evangelisch-lutherischen Landeskonsistorium Fühlung zu suchen. Am 26. Januar 1900 erliess die kirchliche Oberbehörde in ihrem Verordnungsblatte 1900 Nr. 1, S. 3 und 4 eine Anweisung an die Landesgeistlichkeit, durch Ausfüllung von Fragebogen das Unternehmen zu ermöglichen. Auch das Apostolische Vikariat versprach die Sache zu fördern. Ostern 1900 wurden auf der Grundlage der 18. Ausgabe des Handbuchs der Kirchenstatistik für das Königreich Sachsen von 1900 an alle Geistlichen der evangelisch-lutherischen, der evangelisch-reformierten und der römisch-katholischen Kirche, bei deren Kirchen oder Anstalten Kirchenbücher geführt werden, Fragebogen versandt, mit dem Ersuchen, sie bis 30. Juni ausgefüllt an das kgl. Hauptstaatsarchiv zurückzusenden. Der vom Bearbeiter entworfene und von Herrn Dr. Ermisch gutgeheissene Text der Fragebogen war folgender: „1. Wann beginnen die Eintragungen des ältesten vorhandenen Taufregisters? Sind grössere Lücken vorhanden? In welchen Jahren? 2. Wann beginnen die Eintragungen des ältesten vorhandenen Trauregisters? Sind grössere Lücken vorhanden? In welchen Jahren? 3. Wann beginnen die Eintragungen des ältesten vorhandenen(30 ≡)
Totenregisters? Sind grössere Lücken vorhanden? In welchen Jahren? 4. Gab es nachweislich noch ältere Tauf-, Trau- und Totenregister und seit wann? 5. Sind in den Kirchenbüchern neben den regelmässigen Eintragungen längere geschichtliche Nachrichten enthalten? Welcher Art sind diese? (Zeit, Gegenstände.) 6. Wann beginnen andere Register und Akten des Pfarrarchivs? a) Beicht- und Kommunikantenregister? b) Kirchrechnungen? c) Sonstige Archivalien, die als Ersatz der Kirchenbücher gelten können? 7. Bemerkungen. (Sind die Kirchenbücher Gegenstand literarischer Veröffentlichungen geworden? Angabe der Schriften oder Zeitschriften. Sind für verlorene Kirchenbücher Duplikate vorhanden? In welchen Jahren? u. s. w.)." Bis Mitte 1900 waren neun Zehntel aller Fragebogen ausgefüllt in den Händen des Bearbeiters. Den Geistlichen, die sich der Mühe, ihre Kirchenbücher durchzusehen und die Ergebnisse einzusenden, bereitwillig unterzogen haben, sei an dieser Stelle der herzlichste Dank gesagt. Auf Grund des bis zum Sommer 1900 eingelaufenen Materials konnte der Bearbeiter bei der Generalversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Dresden am 26. September 1900 in einer unter dem Vorsitz des Herrn Archivrat[GWR 1] Dr. Jacobs abgehaltenen Sitzung in einem kurzen Vortrag über „Alter und Bestand der Kirchenbücher im Königreich Sachsen"[4] einen Überblick geben. Nachdem nunmehr bis Ende 1900 das gesamte Material bis auf wenige ausgebliebene Fragebogen eingelaufen ist, kann der Verfasser in vorliegender Abhandlung erschöpfend und abschliessend über sein Thema berichten. Bei der Bearbeitung des Stoffes, den ihm die Geistlichen lieferten, die für die Richtigkeit der Angaben die Verantwortung tragen, war sein(31 ≡)
Streben auf Vollständigkeit und Genauigkeit gerichtet. In zweifelhaften Fällen — und es sind dies nicht wenige gewesen — trat er mit den Ausfüllern in Briefwechsel, um Missverständnisse und falsche Auffassungen auszuschliessen und zu beseitigen. I.Schon nach altrömischem Rechte mussten von den Geborenen Verzeichnisse aufgenommen werden, eine Einrichtung, die bis in die Zeit der Könige zurückgeht. In der römischen Kaiserzeit bestanden amtliche Geburtsregister, wie es scheint, schon vom 2., jedenfalls vom 4. Jahrhundert ab. Sie mochten zum Zwecke der Steuererhebung angelegt sein. Vermählungs- und Sterberegister gab es nicht.[5] Dass die Kirche frühzeitig Namenregister ihrer Mitglieder anlegte, der lebenden wie der verstorbenen, nimmt nicht wunder. Nur sucht man hierbei vergebens nach einer einheitlichen Praxis; man pflegte nach individuell verschiedenen Grundsätzen zu verfahren. Sicher ist, dass in gewissen Bezirken der altchristlichen Kirche sogenannte Diptychen[6] in Gebrauch waren, zusammenlegbare Schreibtafeln, auf denen die Namen von Kommunikanten, Getauften, Getrauten, Verstorbenen, auch von Bischöfen und Kirchenbeamten verzeichnet wurden. Diptychen sind also authentische Verzeichnisse und Listen des gesamten kirchlichen Personalstatus, erklärbar aus den Bedürfnissen der ums Dasein kämpfenden Kirche, der es daran liegen musste, vor allen Dingen Ordnung und Übersicht in die kirchliche Gesellschaft zu bringen und auf Grund schriftlicher Unterlagen Rechte und Pflichten der Einzelnen zu bemessen. Die ältesten Listen scheinen(32 ≡)
Taufbücher gewesen zu sein, „Bücher des Lebens", wie man sie nannte. Ihnen reihen sich der Entstehungszeit nach Beicht-, Kommunikanten- und Seelenregister an; noch später kommen Trauregister auf. Alten Datums sind auch Listen der Toten, der Geistlichen und Kirchenvorsteher. Sie alle dienten einem zwiefachen Zwecke, einem liturgischen, sofern sie bei Gottesdiensten, Anniversarien, Totenmessen verlesen wurden, und einem gesellschaftlich-rechtlichen, sofern sie als Urkunden des Familienstandes galten. Gesetzlich ist ihre Einführung nie gewesen, sie verdanken ihr Dasein lediglich frommem Brauche, und dieser fromme Brauch war nicht einmal allgemein. Auch da, wo sie geführt wurden, mochte ihnen der Mangel an statistischem Sinn, wie er jenen Zeiten anhaftete, von vornherein den Charakter der Lückenhaftigkeit aufprägen. Erhalten ist uns keins jener alten Verzeichnisse. Das Mittelalter hat jenen Brauch der alten Kirche nicht lange fortgesetzt. Je mehr die Kirche in Lehre und Leben verfiel, um so mehr ging es auch mit der kirchlichen Ordnung rückwärts. Die Diptychen hören auf. Jahrhunderte lang haben die Griffel zur Beurkundung des Personenstandes der Gemeinden geruht. Was aber die Trägheit der mittelalterlichen Geistlichkeit unterliess, das übernahm der aufstrebende Sinn des Bürgertums[7]. Man legte sorgfältig Bürgerregister an, Stadtbücher, Kundschaftsbriefe, und es war Brauch, dass, wenn über den Familienstand eines Bürgers Auskunft zu geben war, die Magistrate der Städte solches aus ihren Registern übernahmen — eine Vorbildung unserer heutigen Standesämter. Eine Ausnahmestellung nahmen nur die Stifter und Klöster für ihre Insassen ein. Diese fest geschlossenen Gemeinschaften führten über ihren Personalbestand genau Buch und Rechnung. Es liegt in der Natur der Sache, dass sie vor allem ihre Toten sorgfältig registrierten. Die Aufzeichnung der Sterbefälle im Stift oder(33 ≡)
Kloster war ein Stück der chronistischen Thätigkeit dieser Anstalten, das mit Vorliebe gepflegt ward. Noch besitzen wir Totenverzeichnisse deutscher Klöster in ihren Chroniken. Vom Stifte Merseburg ist ein Totenbuch vorhanden. Auf dem Boden des heutigen Königreichs Sachsen entstand ein Totenbuch, von dem wir aus dem Ausgang des Mittelalters noch ein ansehnliches Fragment besitzen, das Totenbuch der Kanoniker des Domstifts Meissen von 1472—1544, in dem doch auch zwei fürstliche Persönlichkeiten gebucht sind. Wir halten dieses Bruchstück für bedeutend genug, um es hier mitzuteilen.[8]Es lautet: „Anno Domini MCCCCLXXII oct. Augusti obiit reverendus pr. dominus Heinricus Leubing, decanus et canonicus.
Anno Domini MCCCCXCVIII XVII. mensis Maji (34 ≡)
obiit venerabilis vir dominus Joannes Erolt de Konisperg, senior et cantor huius ecclesiae.
Anno Domini 1529 circa festum Martini venerabilis Carolus a Miltitz[9], canonicus, periit in aqua. (35 ≡)
Anno Domini 1530 in die Sancti Joannis evangelistae vesp. circa octavam horam venerabilis dominus Heinricus de Starschedel, canonicus, obiit.
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zuerst in den romanischen Ländern wieder aufgekommen. Sie sind ein Erzeugnis der Renaissance[10], welche im Gegensatze zur mittelalterlichen Weltanschauung wieder mehr Wert auf die Einzelpersönlichkeit legte und der Bedeutung, die sie dem Individuum verlieh, durch Einführung von Personenregistern Ausdruck zu geben suchte. Italien ist's, das zuerst, wenn auch vereinzelt, wieder Kirchenbücher aufzuweisen hat. In Florenz hat man ein Taufregister von 1450 gefunden. Seit 1490 sandten alle Pfarrer der Florentiner Diöcese Abschriften ihrer Taufbücher an den Erzbischof. In Frankreich wurden seit 1515 von den Geistlichen Totenregister geführt, aber erst 1539 erliess König Franz I., also die weltliche Macht, eine Ordonnanz, welche das Halten von Geburtslisten allgemein vorschrieb. Auch in Deutschland lassen sich Anfänge der Kirchenbücher bis in das 15. Jahrhundert zurückführen. Schon Ende des 15. Jahrhunderts wurden hie und da von Provinzialsynoden Taufregister angeordnet. Ein Baseler Pfarrer legte bereits 1490 „zu seinem eigenen Vergnügen" ein Kirchenbuch an, das alles enthielt, was man von solch einem Buche verlangen kann. Das Bruchstück dieses Taufregisters von St. Theodor in Basel von 1490 - 97 liegt seit 1861 im Britischen Museum zu London. Doch verdanken in Deutschland die Kirchenbücher ihr Dasein nicht der Renaissance, sondern ihrer Vermählung mit der religiös-kirchlichen Bewegung, der Reformation. Die grosse Bewegung der Geister, die seit 1517 die Welt ergriff, brachte auch auf dem Gebiete der Ordnung des kirchlichen Gemeindelebens einen mächtigen Umschwung hervor. Erst seit der Reformation und durch sie sind in Deutschland eigentliche Kirchenbücher, d. h. regelmässige urkundliche Eintragungen des Personenstandes der Gemeinden, Geburt und Taufe, Aufgebot und Trauung, Tod und Begräbnis, vorhanden. Dies hat die Kirchenbücher-Forschung, wie sie in den letzten Jahren exakt und systematisch betrieben(37 ≡)
ward, unwiderleglich dargethan und damit alte haltlose Angaben hinfällig gemacht. Kirchenrechtslehrer wie Jacobson und Hinschius, die die Sachlage nicht kannten und nicht kennen konnten, hatten den Gang der Entwickelung so dargestellt, als ob die römische Kirche in Sachen der Kirchenbücher das Signal gegeben hätte und die Kirche der Reformation ihr nachgefolgt sei. Ersterer[11] sagt, allerdings in einer Bemerkung von 1845, wo noch niemand die Frage untersucht hatte: „Dem Beispiel der katholischen Kirche folgte man auch in evangelischen Ländern", und Hinschius[12] bemerkt: „Die evangelische Kirche hat sich der in der katholischen Kirche infolge des Tridentinums allgemein Übung gewordenen Führung der Kirchenbücher angeschlossen." Diese Äusserungen werden durch die Forschungen unserer Tage auf das glänzendste widerlegt. Aus einem Zeitraume, wo Hunderte von evangelischen Kirchenbüchern sich vorfinden, liegt noch kein einziges katholisches Kirchenbuch vor. Die Wiege der deutschen Kirchenbücher ist die Schweiz[13], das Gebiet des zwinglisch-reformierten Bekenntnisses. Von da verbreiteten sie sich immer weiter nach Norden und Osten. Doch ist der Weg, den ihre Verbreitung beschreibt, nicht immer regelmässig; und es wird sich zeigen, dass in einem Falle Sachsen die Priorität selbst vor der Schweiz beanspruchen darf. Das erste deutsche Kirchenbuch der Schweiz, das erhalten ist, ist das in Zürich aus dem Jahre 1525 oder 1526. In Frankfurt a. M. hat das Kastenamt die Einrichtung von Tauf-, Trau- und Totenbüchern angeordnet; das älteste Geburts- und Heiratsbuch reicht hier bis 1533 zurück.Aus demselben Jahre stammt das Taufbuch von Crailsheim, dem sich ebenda das Ehebuch von 1535 anschliesst. Aus dem Geiste der Reformation heraus erklärt es sich, wenn die evangelischen Fürsten und Konsistorien sich bemühten, die Führung von Kirchenbüchern allen Pfarrern zur(38 ≡)
Amtspflicht zu machen, es also nicht ins Belieben des Einzelnen zu stellen, ob er „zu seinem eigenen Vergnügen" ein Kirchenbuch anlegen will oder nicht, sondern dies obrigkeitlich zu verordnen[14]. Ordnung auf diesem Gebiete an Stelle des Schlendrians von Jahrhunderten war naturgemäss ein wesentliches Stück der Neuordnung auf allen Gebieten des kirchlichen Lebens. Vom Anbruch der Reformation bis zum Jahre 1588 lassen sich allein in Richters Sammelwerk 16 deutsch-evangelische Kirchenordnungen nachweisen, welche das Halten von Kirchenbüchern kurz und gut einschärfen. Allen voran geht die Brandenburg-Nürnberger Kirchenordnung von 1533, wenn sie sagt: „Es sollen auch die Pfarrherren oder Kirchendiener jedes Orts in ein sonderRegister fleissig einschreiben die Namen und Zunamen der Kinder, die sie taufen, und der Personen, die sie ehelich einleiten, und auf welchen Tag und in welchem Jahre solches geschehen sei." Ihr folgt die Liegnitzer Kirchenordnung von 1534, welche vorschreibt, dass „der Diener den Täufling mit den Namen der Paten von Jahr zu Jahr in ein Register zeichnen und aufmerken soll". Ähnlich drücken sich aus die Württembergische Kirchenordnung Herzog Ulrichs von 1536, die Schweinfurter von 1543, die Kölnische von 1543, der „Einfältige Unterricht" Georgs von Anhalt von 1548, die sächsischen Generalartikel Kurfürst Augusts von 1557, die Württembergische Kirchenordnung von 1559, die Erbacher von 1560 und viele andere aus derselben oder aus späterer Zeit. Nachdem die evangelische Kirche mit solchen heilsamen obrigkeitlichen Verordnungen vorangegangen war, folgte die römische Kirche nach, da sie einsah, dass die Evangelischen auf dem rechten Wege waren. Es war in der 24. Sitzung des Tridentiner Konzils vom 11. November 1563, dass der Bischof von Braga, Bartholomäus de Martyribus, der Einführung von Trau- und Taufregistern das Wort(39 ≡)
redete.[15] Man beschloss daraufhin, dass der Geistliche ein Buch anlege, in das er die Namen der Eheleute und der Trauzeugen, sowie Tag und Ort der Eheschliessung eintrage und es sorgfältig verwahre. Desgleichen ward der Geistliche gehalten, ein Taufregister zu führen. Ein Totenbuch wird nicht erwähnt. Sterberegister wurden erst 1614, also sechzig bis siebzig Jahre später als in evangelischen Landen, durch das Rituale Romanum angeordnet. Etwa zu gleicher Zeit, da die Kirchenbücher in der römischen Kirche heimisch wurden, begegnen wir ihnen im Norden Deutschlands, in den Ländern und Provinzen an der Nord- und Ostseeküste. Noch etwas später brachen sie sich Bahn in die skandinavischen Lande. II.Sachsen, das Mutterland der Reformation, hat sehr früh mit Anlegung von Kirchenbüchern begonnen, eine Erscheinung, die gewiss auf den sächsischen Ordnungssinn zurückzuführen ist. Noch ehe die Führung von Kirchenbüchern obrigkeitlich angeordnet wurde, finden wir solche in manchen Städten und Dörfern Sachsens. Die Anlegung solcher Bücher stellte sich von selbst als eine Notwendigkeit heraus. Doch mochte auch die Neigung des einzelnen Pfarrers oder Küsters hierbei eine Rolle spielen. Wie viele Kirchenbücher vor der ersten obrigkeitlichen Anordnung angelegt worden sein mögen, das lässt sich heute nicht mehr übersehen, da nur zu viele dieser alten Verzeichnisse untergegangen sind. Aus demselben Grunde kann man heute nicht mehr bestimmen, in welchem Umfange den obrigkeitlichen Anweisungen Folge geleistet wurde. Nur Bruchstücke des Materials sind uns erhalten, aus denen sich zwar Schlüsse ziehen lassen, aus denen sich jedoch kein bis in alle Einzelheiten hinein klares Bild der Wirklichkeit gewinnen lässt. Aus vorreformatorischer Zeit ist uns kein wirkliches Kirchenbuch erhalten, aber ein höchst wertvolles Totenregister,(40 ≡)
das einzig in seiner Art in mehr als einer Hinsicht von Interesse ist, ein Totenregister von Zwickau, das mit dem Jahre 1502 beginnt. Am Anfange des 16. Jahrhunderts war Zwickau ein Brennpunkt des kirchlichen und des geistigen Lebens überhaupt. Wie in Basel der Pfarrer von St. Theodor ein Taufregister, so legt in Zwickau der Küster von St. Marien und St. Katharinen „zu seinem Vergnügen" ein Totenregister an. Freilich führt er zunächst nicht über alle Toten Buch und Rechnung, sondern nur über die Honoratioren. Warum nur über diese? Dies hängt mit einem Brauche zusammen, der sich auch in andern Städten beobachten lässt. Wie in den Nürnberger „Grosstotengeläutbüchern" bereits seit 1439 die Namen derer sorgfältig gebucht wurden, die mit dem vollen Geläute begraben wurden[16], so buchte der Zwickauer Küster die Namen derer, die man mit solchen Ehren zu Grabe trug, die Namen hervorragender Persönlichkeiten, deren Begräbnis auch materiell für die Kirche von Bedeutung war, und macht noch 1578 in einem Manuale zum zweiten Totenbuche die Bemerkung: „Wiederum angefangen das Läutegeld und die Verstorbenen aufzuschreiben." Der mit 1502 beginnende Band[17] hat Quartformat, ist 18 cm breit und 21 cm hoch und hat Holzdeckeleinband mit Schweinslederrücken. Auf der ersten Innenseite des Einbandes steht: „Dieses Buch ist von Johannes Trettwein, Kirchner zu Unser Frauen, dem Gemeinen Kasten geschenkt worden und gut darmit gemeinet, Gott geb', dass sie darbei erhalten werden." Das erste Blatt hat die Aufschrift „A. Toten-Buch der Kirche zu St. Marien zu Zwickau von dem Jahre 1502 an bis zu dem Jahre 1582." Die erste Seite des Textes beginnt mit den Worten: „Anno 1502 Register oder Verzeichnis der Verstorbenen anno 1502." Die Einträge des ersten Jahrgangs, elf an Zahl, lauten: (41 ≡)
"1. Am Abend Dorotheae Virginis ist der Ehrwürdige Er Magr. Heinricus Seyger, Prediger zu S. Catha. verstorben. Eius anima requiescat in pace. (42 ≡)
verstorben, qui fuit avus meus. 7. Er Joann. Röhmer, ein Priester, verstorben." 1504: „1. Der Ehrwürdige Er Jobst Öberreich, Pfarrherr zu St. Margareten. 3. Der Würdige Er D. Moysig, Pfarrherr zu Reinsdorf." 1506: „7. ist Hans Jaroff, ein Ratherr und Gottsvater zu Unser Frauen, erschlagen worden und verstorben. 15. Baltzer Kannegiesser, ein Ratherr." 1507: „13. D. Morgenstern, ein Abt zum Grünhain. 25. Michel Walter, ein Bruder Max Walters." 1508: „1. Katharina, eines Schützenmeisters Tochter gestorben, die sollte Paul Pressen nehmen, den Kirchner zu Unser Frauen." 1509: „8. Er Otto von Weissenbach im Welschland im Kriege verstorben; eodem die starb in diesem Kriege der Edle Bruno von der Dahlen, 64 Jahr alt." 1520: „9. Am Abend Andreae Apostoli ist Bartholomaeus Trettwein, qui fuit pater amandissimus meus, verstorben." 1525: „5. Der durchlauchtigste hochgeborne Fürst, Herzog Friedrich von Sachsen, zu Lochau in Gott entschlafen den 5. Maji und zu Wittenberg im Stift begraben." Von dem Eintrag der Honoratioren bis zum Eintrag aller Gestorbenen war kein weiter Weg, und es ist verständlich, wenn die Einträge bald immer zahlreicher und vollständiger werden, bis sie endlich lückenlose Verzeichnisse sämtlicher Toten bieten. Die Aufzeichnung der Toten aber führte später von selbst zur Aufzeichnung der Getrauten und der Getauften. Dieses eine Beispiel aus urältester Zeit ist für die Entstehung manches Kirchenbuchs im Lande lehrreich. In manchen Kirchenbüchern werden anfänglich nur die Vorkommnisse in den Familien der Kirchenpatrone und sonstiger hervorragender Persönlichkeiten verzeichnet und erst nach geraumer Zeit die Fälle aus allen Familien. Der Pfarrer von Türchau schreibt seit 1529 die Sterbefälle in der Rittergutsherrschaft auf: „Anno Domini 1529 den Freitag nach Trinitatis, welches war der 28. Mai, ist zu Praga in Böhmen selig verschieden der Edle, Gestrenge und Ehrenfeste Wolf von Falkenhain" — aber erst seit 1587 bucht er alle Gestorbenen. Der Pfarrer von Wolkenburg nennt noch seit(43 ≡)
1556, wo sein Totenregister beginnt, nur die vornehmen Verstorbenen, die Kollatoren, Schösser und Schulmeister, und erst seit 1564 alle Toten. Wie Zwickau das älteste Totenbuch aufweist, so auch das älteste Trauregister.[18] Es beginnt 1522. Aber während das Totenbuch erst allmählich zu einem alle Sterbefälle umfassenden Totenregister wird, ist das Trauregister gleich von Anfang an ein solches, das den Namen eines Kirchenbuchs verdient. Dieses Trau- oder genauer Aufgebotsbuch seit 1522 ist wie das Totenbuch von 1502 in der Sakristei der Marienkirche in Zwickau noch wohlerhalten aufbewahrt. Es ist ein Quartband in der Starke von etwa 7 cm mit kräftigem, nicht allzuweissem Papier, solid in Holzdecken mit Lederrücken gebunden und mit Messingspangen versehen, nur die Ränder des Papiers sind etwas vergilbt. Es umfasst die Aufgebote der Marien- und der mit ihr verbundenen Katharinenkirche. Auf der Innenseite des Deckels steht genau wie beim Totenbuch der Vermerk: „Dieses Buch ist von Hans Trettwein, Kirchner zu unsrer lieben Frauen, dem Gemeinen Kasten geschenket worden und gut darmit gemeint; Gott geb', dass sie darbei erhalten werden und gemehrt" Die Aufschrift des Buches lautet: „Proclamationes Anno 1522, natalis Christi"; die Einzeichnungen begannen also zu Weihnachten des Jahres. Die Einträge sind zunächst einfachster Art; es werden lediglich die Namen der Eheleute und des Brautvaters oder des ersten Mannes der verwitweten Braut genannt. Der älteste Kirchenbuchseintrag ist folgender: „Balthasar Hechelmüller. Margareta, vidua relicta Caspar Schönborns." Erst vom Jahre 1554 an werden und zwar von anderer Hand die Trauungstage und die Namen der trauenden Geistlichen dazu bemerkt: „Georg Puttner, Ottilie, filia Georg Schwarzs, Mittwoch in Vigilia Ursulae. Wolf Streber, um 9." Vom Jahre 1566 an wird auch der Sonntag, an dem das Aufgebot erfolgte, angeführt.(44 ≡)
Zwickau hat den Ruhm, auch die ältesten Taufregister[19] aufzuweisen. Die Form derselben ist dieselbe wie die der oben beschriebenen Trauregister, Quartband mit Holzdeckeln. Sie beginnen für die Katharinenkirche 1535, für die Marienkirche 1536 und sind im Original und im Duplikat vorhanden. Der erste Taufeintrag lautet: "Täufling zu St. Katharinen Anno 1535. Mittwoch nach Vincula Petri um 1 hor vormittag. Clara, F. Merten Zetenküchens. Patrini: Der Risch in der Jüdengass, Peter Zipsers uxor." Auf dem nächsten Blatte steht die Überschrift: „Taufregister zu St. Catharinen von Michaelis 35 bis wieder auf Michaelis 36 bei dem regierenden Bürgermeister Er Hermann Mülpforth. Kirchner Nicolaus Kellner." Die Einträge sind wiederum einfachster Art: „Sonntag nach Mauritii Michal, F. Georg von Breslau" oder „Sabbatho post Michaelis Michal, F. des klein Jobst Schalreuters." Erst seit 1548 werden die Paten mitverzeichnet, was mit den Worten eingeleitet wird: „Mittwoch nach Quasimodogeniti ist Befehl kommen, dass man die Gevattern auch aufschreiben soll, aus Befehl Er Hansen Unruh, Consul." Wenn bei dem ältesten Zwickauer Taufeintrag die Gevattern genannt sind, so sind dieselben sicher nach 1548 hinzugefügt, was auch erklärlich ist, da der Kirchner, der damals amtierte, bei diesem Täufling die Bemerkung hinzuschreiben konnte: „Die ist meine Hauswirtin worden." Dass die Eintragung der Paten 1548 vom Rate angeordnet wurde, hängt wohl mit der Ordnung des Kirchenbuchwesens in Sachsen vom Jahre 1548 zusammen. Dem Alter nach folgen in der Reihe der erhaltenen Kirchenbücher 1539 das Taufregister zu Zittau und das Trauregister zu Marienberg, 1540 das Tauf-, Trau- und Totenregister von Lengefeld i.E., dann dieselben drei Register von Augustusburg anfangs mit nur summarischen Angaben der Getauften, Getrauten und Begrabenen; 1541 folgt das Totenregister von St. Petri zu Rochlitz und das Trauregister von St. Nicolai zu Leipzig, letzteres mit(45 ≡)
der Überschrift: „Quos Deus coniunxit, homo non separet. Matth. XIX. Magister Wolfgang Pfenderus (Pfendtner, Diakonus an St. Nicolai, + 1556 als Superintendent in Annaberg) hunc libellum sibi et suis successoribus comparavit" und mit Einträgen in einfachster Form: „Christophorus Nawmeyer. Dorothea, Joannis Lochners filia." Diesen reihen sich 1544 an die Traubücher von Buchholz und Pirna. Aber nicht nur in Städten wie den genannten, auch in Dörfern begann man, ohne auf obrigkeitliche Anordnung zu warten, Kirchenbücher anzulegen, so 1546 in Langhennersdorf ein Trauregister, 1547 in Althen und Panitzsch alle drei Register, sowie in Eschdorf und Helbigsdorf ein Trauregister. Alle diese Register sind erhalten; sicher würde das Bild noch ein ganz anderes sein, wenn alle, die man damals angelegt hat, erhalten geblieben wären. Eine eigene Bewandtnis hat es mit dem Taufregister von Mildenau, welches eine sehr frühe Jahreszahl an der Spitze trägt, aber erst sehr viel später in der Reihe der Kirchenbücher seine Stelle beanspruchen darf. Es beginnt bereits im Jahre 1523 und wird Jahr für Jahr lückenlos weitergeführt. Aber auf der ersten Seite findet sich folgende Notiz: „Catalogus und Verzeichnis der Kinder, so beide von mir und, so viel ich Bericht bekommen, von meinen Antecessoribus Erhardo Fleischmann und Johanni Behm getauft sind in dieser Mildenauer Kirchen, colligieret und angefangen den 14. Juni Anno 1551." Die Taufeinträge von 1523 an beruhen also auf Rekonstruktion von 1551 und haben deswegen nur minderen Wert. Aber offenbar hat sich der Pfarrer Andreas Lindner (1548—68), der diese Arbeit gethan hat, sehr viel Mühe gegeben, das Register der von Erhard Fleischmann (1523—44) und Johann Behm (1544—48) Getauften so vollständig wie möglich zu geben, denn er registriert 1523: 1 Fall, 1524: 2, 1525: 1, 1526: 4, 1527: 1, 1528: 3, 1529: 4, 1530: 2, 1531: 6, 1532: 5, 1533: 5, 1534: 2, 1535: 11, 1536: 7, 1537: 7, 1538: 4, 1539: 13, 1540: 18, 1541:13, 1542: 15, 1543: 16, 1544: 14, 1.45: 20, 1546: 15, 1547: 23, 1548: 14, u. s. w. sämtlich mit gewissenhafter(46 ≡)
Angabe der Paten. Der älteste dieser rekonstruierten Taufeinträge lautet: „Margareta, filia Paul Nestlers in Streckenwalde, nata et baptisata anno 23 Erhardo Fleischmanno, Pfarrer. Susceptores: Margareta, uxor Paul Fiedelers. Michael Meyer. Margareta, uxor Matz Nestlers." Bemerkenswert ist ein anderer Taufeintrag, der beweist, dass, wie ein späterer Pfarrer von Mildenau einmal im Kirchenbuch bemerkt, manchmal „in seiner Abwesenheit oder sonsten nach Gelegenheit Kinderlein von seinen vicinis fratribus im Kirchspiel Mildenau sind getauft worden": „David, filius Thomae Ficker, natus et baptizatus in Joachimicis vallensibus anno 39 Donnerstag post circumcisionem hora 9 antemeridiana. Compatres: Mag. Joannes Mathesius, pastor et superintendens vallensis" u. s. w. — ein Eintrag, der wie alle den Stempel der Rekonstruktion an sich trägt, da Mathesius 1539 noch Rektor war und erst 1545 Pastor wurde. Die erste obrigkeitliche Anweisung zur Führung von Kirchenbüchern datiert in Sachsen vom Jahre 1548. Sie geht zurück auf einen Vertrauensmann des Kurfürsten Moritz, den Fürsten Georg III. von Anhalt, der im Jahre 1544 von demselben zum Coadjutor des Hochstifts Merseburg in geistlichen Angelegenheiten erwählt worden war. Bald nach seinem Amtsantritte hatte Georg im Vereine mit Anton Musa eine Visitation aller Kirchspiele des Hochstifts unternommen und bei der Besserung der unglaublichen Zustände, die er vorfand, grosse Weisheit und Umsicht bewiesen. Hierauf hatte er mit Moritz über eine Kirchenordnung verhandelt, welche nach seinen Vorschlägen festgestellt ward. Zweimal alljährlich versammelte Georg die Geistlichen des Hochstifts im Merseburger Dom zu einer Synode und verbreitete sich dabei in Ansprachen über die Grundsätze der rechten Amtsführung. An der „Agenda, wie es in des Kurfürsten zu Sachsen Landen in den Kirchen gehalten wird 1549", hat er den Hauptanteil. Dass solch ein Kirchenmann auch der Kirchenbuchführung sein Augenmerk zuwandte, darf nicht wunder nehmen. Er erliess im Jahre 1548, das somit einen Markstein in der Geschichte(47 ≡)
der sächsischen Kirchenbücher bezeichnet, folgende in Leipzig bei Jacob Berwaldt gedruckte und erschienene Verordnung: „Einfältiger Unterricht von verbotenen Personen und Graden und wes sie sich in Ehesachen halten, vornehmlich vor die Superattendenten und Pfarrherrn im Stift Merseburg, darnach auch andern Pfarrherrn zu christlichem Dienst und Nutz gestellt. Anno MDXLVIII.“[20] Der Erlass beginnt: „Von Gottes Gnaden Wir, Georg Fürst zu Anhalt, Coadjutor in geistlichen Sachen zu Merseburg, Graf zu Ascanien, Herr zu Bernburg und Dompropst zu Magdeburg, wünschen euch ehrwürdigen, achtbaren, hochgelehrten und würdigen unsern besondern und geliebten allen Superattendenten, Pfarrherrn und Predigern, so unserm Amt und Jurisdiktion verwandt, Gnad' und Fried' von Gott dem Vater und reiche Erkenntnis unsers lieben Heilandes Jesu Christi.“ Nach ernsten Ermahnungen zur Amtstreue folgen die Ausführungen über die verbotenen Personen und Grade, sodann ein Artikel über die Aufgebotsverhandlung und die nötigen Fragen, die der Pfarrer dabei zu stellen hat, und schliesslich die Anweisung zur Führung der Kirchenbücher: „Es sollen alle Pfarrherrn ein Register im Sacrario liegen haben und bewahren, das allezeit bei der Kirchen bleibe, darein sie verzeichnen die Namen der Personen, so nach christlichem Gebrauch ordentlich und recht ausgerufen, zu Strass und Kirchen gegangen, Hochzeit gehabt und ehelich Beilager gehalten haben, mit Verzeichnis des Jahres und Tages, darin solches beschehen, damit desto gewisser Gezeugnis solchen Personen möge gegeben werden, so sie oder ihre Kinder der Geburtsbriefe vonnoeten. — Also soll es auch gehalten werden mit der Verzeichnis der Kinder, in welchem Jahr, Monat und Tage sie getaufet, denn solche Verzeichnis nützlich und gut, dass sie ihrer Taufe halben versichert, darinnen sie Christo eingeleibet und ein Glied der christlichen Kirchen worden sind, auch ihr Alter aus diesem Register lernen (48 ≡)
rechnen, das sonst aus Tod und Absterben oder Hinlässigkeit der Alten leichtlich vergessen wird. — Desgleichen sollen auch aller Verstorbenen, es sei der Eingebornen oder Fremdlingen, Namen, in welchem Jahr, Monat und Tag sie begraben, eingeschrieben und aufgezeichnet werden, welches dazu dienet, dass man den verlassenen Witwen, beide Manns- oder Weibspersonen oder sonst Verlobten, so sich mittler Zeit anderswo wieder verheiraten wollten, desto stattlicher Gezeugnis geben könnte, dass sie von dem vorigen Verbündnis durch desselbigen Todes und Begräbnis frei und ledig worden." — Dieser Erlass ist von der Sorge um die Heiligkeit der christlichen Ehe eingegeben und stellt darum die Trauregister voran, wie er auch die Anlegung von Totenregistern mit der Rücksicht auf die Ehe motiviert. Es erhellt aus ihm, dass man bei der Anordnung von Kirchenbüchern unmittelbar praktische Zwecke im Auge hatte. Den Erfolg des Erlasses können wir noch heute beobachten. Die Führung von Kirchenbüchern wird immer allgemeiner. Mit dem Jahre 1548 mehrt sich die Zahl derselben ganz erheblich, und einige der erhaltenen tragen deutliche Zeichen an sich, dass sie infolge jenes Erlasses angelegt wurden. Es nimmt nicht wunder, dass ein Mann wie Kurfürst August, ein Mann der Ordnung und ein evangelischer Verwaltungsmann ersten Ranges, bald nach seinem Regierungsantritt Gelegenheit nahm, die Bedeutung der Kirchenbücher den Pfarrern des Landes ans Herz zu legen. Er setzt die Bemühungen Georgs fort und schreibt in seinen trefflichen Generalartikeln[21] von 1557: „Es sollen auch die Pfarrherrn auf den Dörfern gewisse Register halten, wieviel und wes Kinder und Leute sie jährlich taufen, kopulieren oder in Ehestand einsegnen, und solche Register also in der Kirchen Verwahrung beilegen, damit die zu jeder Zeit zu befinden." Diese Verordnung, die merkwürdigerweise von den Totenregistern schweigt, wendet sich also an die Landpfarrer, weil sich die Führung von Kirchenbüchern in den Städten eingebürgert hatte. Welche Wirkung sie gehabt, lässt sich noch beobachten an(49 ≡)
der grossen Zahl noch erhaltener Kirchenbücher aus dem Ende der fünfziger Jahre. Es dürften wohl alle Pfarrämter der Anweisung der Generalartikel nachgekommen sein. Die etwa säumigen mochten die zahlreichen Visitationen Augusts an ihre Pflicht erinnert haben. Noch erhalten sind seit den ersten Anfängen bis 1560 — nach den Anfangsjahren geordnet — folgende Kirchenbücher Sachsens[22], eine stattliche Reihe, bei der sich die wachsende Verbreitung der Kirchenbücher mit den Marksteinen 1548 und 1557 noch deutlich beobachten lässt:
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Pfarrer in seiner Kirchen vermöge unsrer Ordnung die neugetauften Kinder samt ihrer Eltern und Paten Namen, auf welchen Tag sie getauft, desgleichen auch der neuen Eheleute Namen, auf welchen Tag sie getrauet und Hochzeit gehalten, auch welchen Tag ein jeder verstorben, Verzeichnis und Register halte, soll der Visitator, so oft er visitieret, ihm solches Buch, darin er alle ordentlich verzeichnet, vorbringen lassen, und da nicht gute Ordnung gehalten, ihm, dem Pfarrer, solche weisen und neben ihm auch die Kirchenväter vermahnen, dass solche Verzeichnis bei der Kirche bleiben und durch Todfall der Pfarrer oder ihren Abzug von der Kirche nicht entwendet oder weggeführt werden, damit man im Fall der Not, da denen Leuten ihrer ehelichen Geburt halben Zeugnis zu geben, dieselbigen als gewisse beständige Gezeugnis zur Hand haben möge.“ Mit dieser Verordnung war wieder ein Schritt vorwärts gethan, das Führen der Totenregister wird ausdrücklich erwähnt und auf geeignete Aufbewahrung der Kirchenbücher hingewiesen, auch der Pflicht der Visitatoren Erwähnung gethan, auf die Kirchenbücher ihr Auge zu richten. Bedenkt man, dass aus dem Zeitraum bis zum Schlusse des 16. Jahrhunderts noch heute in rund 400 sächsischen Orten Kirchenbücher vorhanden sind und in nicht wenig andern Orten deren Vorhandensein in so früher Zeit glaubwürdig sich nachweisen oder mit ziemlicher Sicherheit vermuten lässt, so ist der Schluss berechtigt, dass seit 1580 so gut wie kein Kirchspiel mehr ohne Kirchenbuch gewesen sein wird. Wenn die Mehrzahl der alten Kirchenbücher heute nicht mehr vorhanden ist, so erklärt sich dies aus den Stürmen, die im dreissigjährigen Kriege über Sachsen dahinbrausten, und aus vielen andern Ursachen, auf die wir noch zurückkommen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts schärften die Visitatoren, wo dies nötig war, die ordentliche Führung der Kirchenbücher immer wieder ein. In den meisten Fällen war es unnötig, da die Pfarrer und Kirchner gerade diesem Zweig ihrer Thätigkeit besondre Pflege widmeten. Die alten Kirchenbücher stellen in ihrer Sauberkeit und Ordnung der(52 ≡)
Amtstreue der sächsischen Geistlichkeit im grossen Ganzen ein schönes Zeugnis aus. Es war für jeden eine Ehrensache, ein gut geführtes Kirchenbuch aufweisen zu können. Die Hingebung, mit welcher manche Geistliche verlorene oder verbrannte Kirchenbücher oft mehrere Menschenalter rückwärts aus mündlichen und schriftlichen Quellen nachträglich wiederherstellten, die Ausdauer, mit der sie Duplikate fertigten, alphabetische Register anlegten, die Tauf-, Trau- und Sterbefälle familienweise ordneten, verdient geradezu Bewunderung. So hatten die Behörden keine Veranlassung, neue Verordnungen zu erlassen. Nur hören wir von einem Reskript vom 17. Januar 1744, welches den Pfarrern vorschrieb, am Schlusse jedes Jahres General- und Speziallisten der Geborenen, Getrauten und Gestorbenen anzufertigen und an den Kirchenrat einzusenden. In welchem Umfange diesem Befehl entsprochen ward, lässt sich nicht mehr ergründen. Inzwischen war eine neue Zeit gekommen, die Aufklärung, das Jahrhundert der Vernunft. Die neue Zeit verlangte und schuf neue Massregeln auch in Bezug auf kirchliche Einrichtungen. Naturgemäss war bei der Führung der Kirchenbücher dem Einzelnen die Freiheit gelassen, bei den Einträgen nach seinem individuellen Geschmack oder nach seiner persönlichen Liebhaberei zu verfahren. Eine genaue Anweisung über die Einträge fehlte. Lapidare Kürze wechselt denn thatsächlich mit epischer Breite. Manche Pfarrer schrieben die Einträge lateinisch. Expektorationen in Versen und Prosa füllten die Seiten. Diese Ungleichartigkeit ward längst als ein Mangel empfunden. Andere Mängel, vermeintliche und wirkliche, traten hinzu. Nun pflegten die Stände des Landes von jeher auf den Landtagen ihre Gravamina anzubringen. Auf dem Landtage von 1793 reichten sie unter dem 23. Juni ein „Gravamen über bessere Einrichtung der Kirchenbücher"[24] ein. Es(53 ≡)
hat folgenden Wortlaut: „Es scheint sämtlichen getreuen Ständen zur Beförderung des allgemeinen Besten eine veränderte Einrichtung in Aufbewahrung der Trauungs-, auch Geburts- und Totenlisten ein wichtiger Gegenstand der öffentlichen Fürsorge zu sein. Da nämlich auf der Richtigkeit dieser Verzeichnisse oft das Wohl ganzer Familien beruhet und gemeiniglich die Abstammung und Verwandtschaft nebst den daraus entspringenden Erbschafts- und andern Ansprüchen nicht anders denn durch dergleichen Verzeichnisse zu erweisen ist, diese aber bis anjetzt lediglich den Geistlichen und Kirchendienern anvertraut gewesen, woraus die nachteilige Folge erwächst, dass bei nachlässiger Besorgung der hierzu gehaltenen Bücher, oder wenn diese durch Unglücksfälle verloren gehen, die erforderliche Legitimatio ad causam ermangelt und weitläufige Rechtfertigungen veranlasst werden, so unterfängt sich eine getreue Landschaft, darauf anzutragen, dass jedem Pfarrer auferlegt werden möchte, mit dem Schlusse eines jeden Jahres vor Ablauf eines Monats für jede Kirche vollständige Abschriften und Verzeichnisse der Getrauten, Geborenen und Gestorbenen unter seiner Unterschrift zu fertigen, davon ein Exemplar an den Kirchenpatron, auch auf Verlangen an die Gerichtsobrigkeit gegen eine Vergütung von ohngefähr einem Thaler für jedes Verzeichnis, zwei andre Exemplare aber an den Superintendenten gegen gleichmässige Vergütung aus dem Kirchenaerario einzureichen, dem Superintendenten hingegen, dass er das eine Exemplar bei seinem Archiv behalte und das andre ebenfalls in Monatsfrist zum Konsistorio einsende, wofür ihm ebenfalls eine Vergütung aus der Ephoralkasse ausgesetzt werden könnte.“ Es lässt sich im Hauptstaatsarchiv zu Dresden nachweisen, welche Fälle die etwas weitgehenden Forderungen der Stände veranlasst hatten. Auch im Jahre 1794 taucht noch einmal eine Klage über Irrtümer bei Ausstellung eines Kirchenbuchzeugnisses, in Lawalde, auf. Dazu kam, dass Preussen eben im Begriffe war, in seinem 1794 in Kraft tretenden Landrecht über Führung und Aufbewahrung von Kirchenbüchern neue Bestimmungen zu treffen. Das (54 ≡)
Gravamen des Landtags ging verfassungsmässig an den Kirchenrat. Dieser gab nach eingeholten Gutachten der Konsistorien zu Dresden, Wittenberg und Leipzig folgende Antwort: „So preiswürdig auch der Antrag der Stände auf das Treffen zweckmässiger Anstalten und Verfügungen in Ansehung des Aufbewahrens der Kirchenbücher ist, so sieht sich doch der Kirchenrat gemüssiget, Sr. kurfürstlichen Durchlaucht höchster legislativer Fürsorge die Führung und Einrichtung der Kirchenbücher selbst noch dringender zu empfehlen. Mehrere Erfahrungen und pflichtmässige Applikation in Verbindung mit denen über den letztern Gegenstand neuerlich herausgekommenen Schriften (preussisches Landrecht) haben zwar schon hierunter in den mehresten Parochien einige Verbesserungen bewirket. Wie wenig aber hierbei eine Gleichförmigkeit beobachtet und mit welcher Nachlässigkeit immer noch die Kirchenbücher von vielen (?) gehalten werden, ist dem Kirchenrat und Oberkonsistorio aus einzelnen zu dessen Kognition gekommenen Fällen nur zu sehr bekannt. Dagegen scheinen die von den Ständen in Betreff der sicheren Asservation der Kirchenbücher beschehenen Vorschläge weder durchaus zweckmässig noch völlig ausführbar zu sein. Sehr richtig monieren die Konsistoria zu Leipzig und Wittenberg den damit verbundenen und nicht einmal nach der Grösse der Parochien und dem Betrage des Kirchenvermögens sich regulierenden beträchtlichen Kassenaufwand. Auch ist nicht zu leugnen, dass durch die Realisierung jener Vorschläge in ihrem ganzen Umfange vorzüglich den Gerichtsobrigkeiten Gelegenheit gegeben werden würde, das Ausstellen der Tauf-, Trau- und Totenzeugnisse an sich zu bringen und dadurch den Pfarrern und Kirchnern einen Teil ihrer hergebrachten Accidentien zu entziehen. Den Gerichtsobrigkeiten dürfte daher ein Transsumpt der Kirchenbücher um so weniger zuzubilligen sein, da diese nicht einmal deren Oberaufsicht anvertraut sind. Die Konsistoria hingegen sind ohnehin die Kirchenbücher zu jeder Zeit einzufordern berechtigt; und was sollte also durch die jährliche Einsendung eines Exemplars der letzteren der ohnehin allenthalben ermangelnde (55 ≡)
Platz in den Archiven noch mehr beschränket werden? Nach dem ohnvorgreiflichen Dafürhalten des Kirchenrats möchte es daher damit gethan sein, wenn den Pfarrern oder Kirchnern des Orts, denen die Führung der Kirchenbücher obliegt, aufgegeben würde, solche in duplo zu fertigen und das eine Exemplar bei dem Pfarrarchive zu behalten, das zweite aber in den nächsten vier Wochen nach Ablauf des Jahres an den Superintendenten abzugeben. So wie es sich übrigens von selbst verstehet, dass beide Exemplarien von den Pfarrern oder Kirchnern eigenhändig gefertigt und unterschrieben werden müssen, als möchte denselben zugleich für die neue Mühewaltung eine Ergötzlichkeit von einem oder zwei Groschen von jedem Blatt des Duplikats aus dem Kirchenärare zu verwilligen und den Superintendenten das Ausfertigen einiger Zeugnisse aus denen zum Ephoralarchiv abgegebenen Kirchenbüchern ausdrücklich zu untersagen sein.“ Diese Vorschläge ernteten den Beifall der Geheimen Kanzlei. Am 21. September 1795 schrieb Minister v. Wurmb an das Oberkonsistorium, man sei mit dem Gutachten des Kirchenrats einverstanden, das Oberkonsistorium möge auf Grund neuerer Druckschriften, insbesondere des preussischen Landrechts, einen Entwurf zu besserer Einrichtung der Kirchenbücher einreichen; über die Duplikate gebe das Landrecht gleichfalls Anleitung. Merkwürdigerweise bemerkte aber die Geheime Kanzlei, die Einsendung von Duplikaten an die Ephoren und Konsistorien sei nicht zu empfehlen, wohl aber die an die Gerichte. Doch müssten die letzteren für die Kosten aufkommen, da die Ärare nicht noch mehr belastet werden dürften. Den Pfarrern müsste unter allen Umständen das Recht, Zeugnisse auszustellen, verbleiben. Auf Grund dieser Wünsche, jedoch nicht ohne Abweichungen von der Geheimen Kanzlei, reichte das Oberkonsistorium einen Entwurf ein, der allseitig gefiel und durch ein Generale vom 18. Februar 1799 im Namen des Kurfürsten als neue gesetzliche Anweisung für ganz Sachsen, auch für die Lausitz, veröffentlicht ward. Diese „Anweisung für die Pfarrer(56 ≡)
und Küster in den kursächsischen Landen zu besserer Einrichtung der Kirchenbücher“ lautet im wesentlichen so:
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schematischer Anordnung. Ging damit auch die „Poesie der Kirchenbücher“ für immer verloren, sofern für breite Ausführungen, historische Exkurse und gemütliche Randbemerkungen kein Raum mehr war, so kam doch nun eine grössere Ordnung und eine relative Einheitlichkeit und Gleichmässigkeit in die Kirchenbücher. Die Einreichung von Duplikaten war gleichfalls ein Fortschritt. Die neue Einrichtung trat mit dem Jahre 1800 in Kraft. Mit Einführung der Zivilstandsgesetzgebung am 1. Januar 1876 ward das altehrwürdige Kirchenbuch durch das moderne Standesamtsregister aus seiner dominierenden Stellung verdrängt. Es hörte auf, von bürgerlich-rechtlicher Bedeutung zu sein. Seine Urkunden besitzen nur noch kirchlichen Wert. Die Führung der Kirchenbücher selbst ist dieselbe geblieben. Eine Konsistorialverordnung vom 13. Dezember 1876 weist die Pfarrer und Küster ausdrücklich an, die Tauf-, Trau- und Totenregister in der bisherigen Weise weiterzuführen. Die Kirchenbücher, deren Bedeutung für die Kirche noch immer dieselbe ist wie früher, werden nur mit der Kirche selbst aufhören, denn es ist nie daran zu denken, dass die Kirche jemals darauf verzichten kann, über ihre Glieder selber Buch zu führen. III.Nach dem Überblicke über die Geschichte der sächsischen Kirchenbücher betrachten wir die Kirchenbücher selbst, ihr Äusseres und Inneres. Im allgemeinen darf gesagt werden, dass Kirchenbücher von Parochialkirchen angelegt und geführt werden; die Voraussetzung des Kirchenbuchs ist die Gemeinde. Schwestergemeinden und Filialgemeinden führen ihr Kirchenbuch bald selbständig, bald mit der Schwester- oder Muttergemeinde gemeinsam. Nur selten kommt es vor, dass eingepfarrte Ortschaften ein eigenes Kirchenbuch halten. Nebenkirchen, auch Anstaltsgemeinden sind in der Regel ohne Kirchenbuch, manche von ihnen wie Begräbniskirchen weisen nur eins der drei Register auf, andre, wie die evangelische Hofkirche(59 ≡)
in Dresden[25] zwei. Nicht immer beginnen die drei Register in einem Jahre. Auch wenn man die zahlreichen Fälle, wo ein oder das andere Register in seinen Anfängen verloren oder vernichtet worden ist, in Abzug bringt, bleiben noch genug Fälle ungleichmässigen Anfangs übrig. Man muss annehmen, dass der, welcher die Kirchenbücher anlegte, auf das eine oder das andere Register weniger Wert gelegt hat. Den Anstoss zur Anlegung von Kirchenbüchern gab in der Regel die obrigkeitliche Verordnung. Auf solche führen die Pfarrer von Grossrückerswalde 1548, Etzdorf 1549 und Priessnitz 1555 ausdrücklich ihr Kirchenbuch zurück. Der Pfarrer von Limbach in der Ephorie Meissen hatte bereits seit 20 bezw. 18 Jahren die Getrauten und Getauften aufgeschrieben, bei der Lokalvisitation vom 27. November 1577 gab ihm der Visitator auf, fortan auch die Verstorbenen aufzuzeichnen, und am 19. Dezember 1577 finden wir dort bereits den ersten Toten gebucht. Der Pfarrer von Wilthen hatte noch gar keine Kirchenbücher angelegt, die Lokalvisitation vom 4. Dezember 1577 gebot ihm dies, und die noch bestehenden Kirchenbücher beginnen thatsächlich mit dem genannten Tage. Diese Beispiele lehren zugleich, warum in manchen Kirchspielen die Kirchenbücher nicht mit dem neuen Jahre, sondern mitten im Jahre beginnen. Wenn die Notwendigkeit der Anlegung eintrat, so wartete man nicht bis zum Ablauf des Kalenders, sondern ging sofort ans Werk. Angelegt wurden die Kirchenbücher von den Pfarrern, nur in den Städten hie und da von den Unterbeamten, wie z.B. in Zwickau von den Kirchnern Trettwein 1502 und 1522 und Kellner 1535. Höchst selten wird uns berichtet, dass ein ländliches Kirchenbuch nicht vom Pfarrer angelegt worden sei, wie z.B. in Dörschnitz 1685 vom Schulmeister. Die Schulmeister auf dem Lande haben sich um die Kirchennachrichten mannigfach verdient gemacht.(60 ≡)
Das Äussere der Kirchenbücher entbehrt anfänglich der Einheitlichkeit. Wir finden die verschiedensten Formate. Der Pfarrer von Oberwiera nennt sein ältestes Kirchenbuch ein „altes länglichtes Büchlein“; es war schmal Folio. Die ältesten Kirchenbücher von Langenbach bei Plauen sind in Duodez, das nächste in Quart; und das Quartformat ist im 16. und 17. Jahrhundert häufig, weicht aber bald dem gewöhnlichen Folio. Ein Glück für die Nachwelt ist es, dass in früherer Zeit das Papier sehr fest gewesen ist und dabei nicht zu teuer; der Pfarrer von Börln schreibt 1648 in seiner Kirchrechnung: „3 Groschen zum neuen Kirchen-Tauf-, Trau- und Sterberegister, weil das alte ganz zerrissen und nichts mehr eingeschrieben werden konnte.“ Nur wenige der alten Kirchenbücher sind von Anfang an ungebunden gewesen, man wählte in den meisten Fällen einen starken Einband aus Holz, Pergament, Leder, Schweinsleder mit Schliessen, Riemen oder Bändern. Das Fehlen des Einbands hat sich bei den meisten, die als „lose Blätter“ im Schranke lagen, bitter gerächt. Manche Einbände sind von Interesse. Die ältesten Kirchenbücher von Fuchshain mit Seifertshain sind in alte Pergamenthandschriften gebunden, die aus dem Kloster Eicha stammen sollen. Das älteste Kirchenbuch von Hirschfelde von 1576 weist an seinem Einband Beschläge auf, die von einem katholischen Messbuch stammen, mit der Aufschrift: „Mari mr hilf auf.“ Viele der alten Kirchenbücher weisen feierliche Titel auf. Der Pfarrer von Misslareuth überschreibt 1581 sein Kirchenbuch: „Register und Verzeichnis der angehenden Eheleute, getauften Kindlein und Verstorbenen in der Pfarrkirche von Misslareuth, angefangen Mittwoch am Tage der unschuldigen Kindlein nach Christi, unsres Erlösers und Seligmachers, Geburt.“ Das Totenbuch von St. Annen in Dresden 1626 zeigt auf dem Titel vier ernste Sprüche, die vom Sterben und ewigen Leben handeln. Ein Kirchenbuch von Falkenhain beginnt mit folgendem Titelblatt: „Cum Theanthropo Jesu, Salvatore omnium hominum. Index baptistorum in Falken- et Voigtshain, denuo erectus ac inceptus,(61 ≡)
utinam feliciter, a Joanne Webero Mag., p. t. pastore animarum ibidem, anno aerae christianae MDCLVIII. Gaudete et exultate, quia nomina vestra scripta sunt in coelis. Luc. 10.“ Das Kirchenbuch von Weigsdorf 1631 beginnt: „In nomine S.S. Trinitatis,“ und jedes Register ist hier mit zwei trefflichen lateinischen Distichen geziert. Die Form der Einträge ist in den einzelnen Jahrhunderten recht verschieden. Im 16. und 17. Jahrhundert waltet die Kürze vor, so dass manchmal bei den einzelnen Fällen kaum der Name genannt ist. Ein Taufeintrag in der Dreikönigskirche in Dresden 1561 lautet: „Mittwoch nach Mariae Magdalenae Benedix Blanckmeistern eine Tochter getauft mit Namen Katharine. Die Paten: Ein Teppichmacher, die Hans Apothekerin und sonst ein Weib, alle von Neu-Dresden.“ Der älteste Traueintrag von St. Annen in Dresden 1605 lautet: „Den 14. Januarii Ulricus Peter, ein Kutscher, mit Jungfrauen Annen Pflugin auf der Entenpfütze.“ In älteren Totenregistern auf dem Lande finden sich oft Einträge wie diese: „Der alte Wächter“, „Die blinde Christel auf der Ziegelei“ u.a.m. Später wurden dem Tauftag auch der Geburtstag, dem Namen des Kindesvaters auch der der Kindesmutter und die Namen der Paten und deren Stellvertreter hinzugefügt, die Traueinträge enthalten vollere Angaben, und bei den Einträgen der Toten werden die Hinterbliebenen, die Krankheiten und das Alter nicht vergessen. Anfang des 18. Jahrhunderts werden die Einträge breiter. In behaglichem Perrücken- und Zopfstil werden die Fälle gebucht, und wo sich eine gemütliche Expektoration anbringen lässt, da geschieht es. Ein Pfarrer des 18. Jahrhunderts fügt der Notiz über sein am 10. November 1737 geborenes Söhnchen folgende Betrachtung bei: „Weil es an D. Martini Lutheri Geburtstage geboren und auf Martini Tage getaufet, ist ihm gedachter Name Martin beigeleget. Er soll D. Martini Lutheri Lehr' und Leben beständig folgen. Der andere Name Gotthat ist aus dem 73. Psalm V. 25 genommen, besiehe auch Martin Braeuers Müssige Landstunden VIII. Betrachtung p. 49 sequ. Welcher Name(62 ≡)
active et passive kann genommen werden. In Gott und mit Gott hat das Kind alles. Gott lasse ihn virum sui nominis in der That werden. Amen propter Christum." Erst die Einführung des allgemeingültigen Schemas gab den Kirchenbucheinträgen die gleichmässige nüchterne Form. — In manchen älteren Kirchenbüchern sind überdies die Taufen, Trauungen und Begräbnisse „promiscue" eingetragen und werden erst später in drei Register geschieden. Die Einträge sind in den älteren Kirchenbüchern durchaus nicht immer deutsch, sondern häufig lateinisch. Das fremde Idiom war den gelehrten Herren der alten Zeit mitunter geläufiger als die Muttersprache. So führte, um nur einen unter vielen zu nennen, der Pfarrer von Lohmen 1585-1602 die Kirchenbücher lateinisch, z. B.: „Georgius, filius Matthaei Hermanni, baptizatus est die 15. Aprilis. Huius fidejussores: Caspar Hartmann, civis Pirnensis. Judith, uxor Zachariae Richteri, dispersatoris aulae. Christophorus Richter, judex Lohmensis." Die Einträge im Kirchenbuche der böhmischen Gemeinde in Dresden-Striesen sind bis 1803 in czechischer Sprache gemacht, die dann der deutschen weichen muss. Des leichteren Nachschlagens wegen wurden schon frühzeitig alphabetische Register zu den Einträgen angefertigt. Die Grundsätze, nach denen man in älterer Zeit hierbei verfuhr, waren nicht immer dieselben wie heute. Im ältesten Taufbuch von Zwickau ist bereits ein Register, bei welchem nicht die Familiennamen, sondern die Vornamen in alphabetischer Folge aufgeführt sind, erst alle Kinder mit A: Ambrosius Andreas, Augustin, Aloys, Asmus, dann alle mit B u.s.w. Die ältesten Taufbücher der Annenkirche in Dresden führen im Register die Vornamen der Kindesväter alphabetisch auf: Andreas, Antonius u.s.w. Und dieselbe Praxis herrscht auch in manchem andern Kirchenbuche, wie z. B. in dem von Niederbobritzch. Diese Erscheinung beweist, dass bis in das 16. und 17. Jahrhundert hinein der Rufname der Leute im Verkehr von grösserer Bedeutung war als der Name der Familie. Weniger unter dem Namen, der geschrieben,(63 ≡)
als unter dem, der gerufen, genannt ward, war der Mensch bekannt, wie man das noch heute mitunter auf dem Lande und in kleinen Städten beobachten kann. Die Führung von Duplikaten war lange vor deren offizieller Einführung bei einzelnen Pfarrämtern in Brauch. Die "Wichtigkeit der Kirchenbücher und die Gefahr ihrer Beschädigung oder gänzlichen Verlustes mochte manchen Pfarrer auf ein zweites Exemplar bedacht sein lassen. In manchen Gemeinden führte es der Schulmeister, und nach Verlust des Originals trat es an dessen Stelle. Bereits vom ältesten Zwickauer Taufbuch ist von derselben Hand, die das Original führte, auch die Abschrift vorhanden. Für einzelne Jahrgänge führen lange vor 1800 Duplikate u. a. Berbisdorf, Breitenau, Cämmerswalde, Dennheritz, Dorfschellenberg, Ebersbach, Grimma, Langenleuba-Oberhain, Niederfrohna, Seifersbach, Tuttendorf, Zittau. Es liegt in der Natur der Sache, dass von den Kirchenbüchern älterer Zeit viele abhanden kamen. Den Pfarrern der Vorzeit mochte der Unterschied zwischen Schriften privater Natur und amtlichen Schriften nicht immer geläufig sein, und wenn sie zumal das Papier aus eigener Tasche bestrittten hatten, mochten sich manche Pfarrer oder deren Angehörige berechtigt halten, bei Wegzug oder Tod die Kirchenregister an sich zu nehmen. So wird von Langenchursdorf gemeldet, dass 1640 des Pfarrers Adam Sehling aus Böhmen Vater „alle Nachricht und das Inventarium, welches bei dieser Pfarre vorhanden gewesen, nach Aussage der alten Bauern entwendet" habe, als er nach seines Sohnes Tode wieder nach Böhmen zog. Von Streumen und Lichtensee wird berichtet, dass die Pfarrer in älterer Zeit zwar Kirchenbücher geführt, aber sie beim Wegzug mitgenommen hätten, „weil sie nichts pro inscriptione bekamen". Die weitaus meisten Verluste schreiben sich von Bränden her. Die Zahl der Kirchenbücher, die bei Bränden von Kirchen und Pfarrhäusern vernichtet worden sind, beläuft sich auf mehrere hundert. Wir nennen nur einige Namen und verweisen im übrigen auf die Angaben in dem beigefügten Verzeichnis:(64 ≡)
Audigast, Auerbach i.V., Bärnsdorf, Beicha, Bischdorf, Blankenhain, Dahlen, Einsiedel, Frankenberg, Glasten, Grossbardau, Grosshartmannsdorf, Grossstädteln, Harthau, Kloschwitz, Kotitz, Markneukirchen, Mulda, Mutzschen, Pleisa, Pulsnitz, Rothschönberg, Sornzig, Werdau, Zschocken. Besonders häufig gingen Kirchenbücher in Kriegszeiten verloren, zumal im dreissigjährigen Kriege. Ergreifend sind oft die Mitteilungen, die die Pfarrer über die Umstände machen, unter denen sie in Kriegsdrangsalen ihre Habseligkeiten, ihre Akten, ihre Kirchenbücher einbüssten. Der Pfarrer von Röhrsdorf klagt: „1643 sind die Pagellen mit dem weissen Papier von denen allhier logierenden Schleinitzischen und Kahlenbergischen Soldaten, als Freiberg entsetzet worden, aus diesem Kirchenbuche ganz ausgeschnitten und zerrissen worden.“ Der Pfarrer von Geising spricht von seinem ältesten Kirchenbuche als „a militibus discisso laceratoque ecclesiae indiculo“; das Taufregister ist von den Säbeln der Soldaten durchschnitten worden. Manches Kirchenbuch diente der wilden Soldateska zu Propfen für die Büchsen oder zu Brennmaterial beim Wachtfeuer. Durch Krieg zu Grunde gegangen sind beispielsweise Kirchenbücher aus folgenden Orten: Bertsdorf, Bobenneukirchen, wo die Kirchenbücher in den Freiheitskriegen vom Feinde weggeschleppt, zerrissen und weggeworfen, aber vom Pfarrer z.T. wieder aufgefunden und neu geordnet wurden, Bockendorf, Dresden, wo beim Bombardement der Kreuzkirche 1760 weit über hundert Bände seit 1550 mit in Flammen aufgingen, Falkenhain, Fürstenau, Fürstenwalde, Geilsdorf, Geising, Grossharthau, Grossweitzschen, Hilbersdorf bei Freiberg, Hochkirch, wo in der Schlacht 1758 bei Einäscherung des Pfarrhauses alle Kirchenbücher mit zu Grunde gingen, Kleinschönau, Kötzschenbroda, das 1637 seine Kirchenbücher durch Brand verlor, Leisnig, Leuben bei Lommatzsch, Lockwitz, wo 1757 die Pfarre durch Schuld der Preussen in Flammen aufging, Maxen, wo in der Schlacht 1759 auch sämtliche Kirchenbücher vernichtet wurden, Oberschöna, Pöhl, Rammenau, Schmiedefeld, Schönefeld, das seine (65 ≡)
Kirchenbücher am 18. Oktober 1813 einbüsste, Theuma u.a.m. Wenn die Pfarrer durch irgend einen Umstand den Verlust ihrer Kirchenbücher zu beklagen hatten, gingen sie, falls es sich irgend ermöglichen liess, an die mühsame Arbeit der Rekonstruktion, sei es, dass sie das Duplikat, wenn solches vorhanden war, abschrieben, oder aus Patenzetteln, Manualen, Kalendern oder auch nach mündlichen Zeugnissen das verlorene wiederherstellten; das Beispiel Mildenaus zeigt, wie es einem Pfarrer bei Fleiss und Ausdauer möglich war, ein noch gar nicht vorhandenes Kirchenbuch auf einen Zeitraum von 28 Jahren auf diesem Wege nachträglich überhaupt erst zu schaffen. Über die schwierige Arbeit dieses Verfahrens geben manche Pfarrer Nachricht. Der Pfarrer von Falkenhain berichtet 1658: „Nachdem in denen vorigen Kriegszeiten, sonderlich aber in dem schwedischen Wesen anno 1643 dieses Wurznische Stift äusserst ruinieret, dass Dorf und Pfarr allhier ganz ausspoliieret worden und dazumal die Kirchenbücher und Register unterschiedlich hinwegkommen, als ist hernach ein neu Register aufgerichtet worden, und so viel meinen Antecessoribus eingefallen, auch sonst aus Nachricht und Nachfrage hat können erfahren werden, wieder eingeschrieben und, Gott gebe glücklich, aufgezeichnet, wie folget." Der Wert dieser rekonstruierten Teile der Kirchenbücher, wie sie uns z. B. in Ablass, Ammelshain, Bauda, Beicha, Einsiedel, Falkenhain, Geising, Glasten, Gottscheina, Hohenheida, Grossbothen, Grosshennersdorf, Lobstädt, Mildenau, Pulsnitz und andern Orten entgegentreten, ist naturgemäss ein verschiedener, und nur in den seltensten Fällen steht die Rekonstruktion dem Originale gleich. Wo eine Rekonstruktion nicht möglich war oder nicht versucht worden ist, bilden mitunter andere Register wie Beicht- und Kommunikantenregister, Konfirmandenlisten, Kirchstuhlregister, Familienbücher, Seelenregister, Lebensläufe, selbst Kirchrechnungen einen wertvollen Ersatz, wie denn solche Aufzeichnungen auch da von Wert sind, wo der Verlust keiner Kirchenbücher(66 ≡)
zu beklagen ist. Die verlorenen Kirchenbücher der Kreuzkirche in Dresden werden durch vorhandene "Meldezettel" 1700-1760 einigermassen ersetzt. Dass die Kirchenbücher einen gar nicht zu ermessenden Wert für die Geschichte des Landes im weitesten Sinne des Wortes in sich darstellen, braucht nur angedeutet zu werden.[26] Sie sind zur Kenntnis der Vorzeit unentbehrlich. Aus dem Inhalt der sächsischen Kirchenbücher liesse sich unschwer eine sächsische Kultur- und Sittengeschichte seit der Reformation herausarbeiten. Die Einträge liefern das Material zur Bevölkerungsstatistik wie zur Statistik der Volksgesundheit[27] und Moral[28], zur Geschichte des Bauerntums, des Bürgertums und des Adelstandes, des geistlichen Standes und des Standes der Volksschullehrer, zur Geschichte der Vornamen[29] und der Familiennamen, zur Volkskunde und zur Geschichte des kirchlichen Lebens. Und was ausser den Einträgen als Beigabe in den Kirchenbüchern steht, das liefert die wertvollsten Beiträge zur Kenntnis vergangener Zeiten nach allen Richtungen hin. Der Gesamtinhalt der Kirchenbücher aber wartet bis heute der wissenschaftlichen Sichtung und Verwertung. Fast alle Kirchenbücher enthalten mehr oder minder ausführliche ortsgeschichtliche Notizen. Die wichtigsten Vorkommnisse in der Geschichte der Gemeinde sind von den Ortsgeistlichen, den geborenen Gemeinde-Chronisten,(67 ≡)
in den Kirchenbüchern anmerkungsweise gebucht und so für die Nachwelt aufbewahrt, so beispielsweise in Altensalz, Dahlen, Dittersdorf, Dittmannsdorf, Dresden Annenkirche, Ebersbach, Glösa, Hirschfelde, Lampertswalde, Liebenau, Neuhausen, Oberbobritzsch, Taltitz, Zscheila und an zahlreichen anderen Orten. Manche Geistliche haben dabei ihr Augenmerk auf ein besonderes Gebiet geworfen. Über Krankheiten und Hungersnöte, besonders über die Teuerung von 1771-72, berichten zahlreiche Kirchenbücher: Böhlen, Callenberg, Colmnitz, Grossbuch, Hirschfelde, Hundshübel, Meinersdorf, Niedergräfenhain, Ossling, Pretzschendorf, Reichenbach in der Oberlausitz, Rodersdorf, Sehma, Thum, Walddorf, Wohlbach. Über Witterungsverhältnisse finden sich Nachrichten in den Kirchenbüchern von Döbeln, Elstra, Nenkersdorf und im ältesten Zwickauer Taufbuch. In letzterem schreibt der Kirchner Kellner höchst naiv: „Etliche [Donnerwetter] geschehen natürlicher Weise und haben natürliche Ursach, die sich in der Luft natürlicher Weise erheben nach der Ordnung, wie es Gott erstlich geschaffen. Etliche aber sein übernatürliche, göttliche Ungewitter, da Gott der Herr auf sonderliche und wunderbarliche Weise wider alle Vernunft und Natur Ungewitter schicket. Etliche sind auch teuflische Gewitter, welche vom Teufel und seinen Werkzeugen auf Gottes Verhängnis zugerichtet werden und dadurch oftemal nicht allein Bäume und andre Erdgewächse und Früchte, sondern auch Vieh und Menschen beschädigt werden." Das sicherste Anzeichen eines Gewitters ist es, „wenn der Storch auf beiden Beinen mitten im Neste stehet, denn sonsten pfleget er nur auf einem Beine zu stehen. Er schaudert mit den Federn, verbirget seinen Schnabel unter der Brust und kehret seine Brust und Kopf an den Ort, von welchem das Wetter kommen soll". Andere Geistliche, wie die zu Eythra, Stadt-Wehlen und Zeithain berichten über Hochwasserkatastrophen, der Pfarrer von Plauen bei Dresden notiert 1773-84 im Traubuch, wie viele Bäume jedes junge Paar gepflanzt habe, die Pfarrer von Fördergersdorf und (68 ≡)
Tanneberg schildern die Bauernunruhen, die anfangs der neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts als leises Echo der französischen Revolution infolge der Wildschäden auf den ländlichen Fluren ausgebrochen waren. Mitteilungen über Ernteerträgnisse finden sich in vielen Kirchenbüchern. Nicht wenige Kirchenbücher enthalten längere Ausführungen über Einzelheiten von allgemein-kulturhistorischem Wert. Das zu Ehrenfriedersdorf berichtet über die sogenannte „lange Schicht", bei der ein Jahrzehnte lang verfallener Bergmann in unverwestem Zustande wiedergefunden ward, das zu Erlbach i. V. wie das zu Sacka über Hinrichtungen. Im Greifendorfer Kirchenbuche lesen wir die Schilderung einer königlichen Jagd unter Friedrich August III. 1738, im Grossbothener den Bericht über einen Einbruch des gefürchteten Gauners Lips Tullian im Pfarrhause. Das Jahnaer Kirchenbuch enthält die Chronik der Geringswaldaer Gelehrtenschule. Grossbuch hat uns ein Bettellied aus der Hungersnot 1771-72 aufbewahrt, Grumbach bei Annaberg ein Verzeichnis der Bewohner mit ihren Spitznamen, Hermannsdorf Schilderungen von Sitten und Unsitten in der Gemeinde, Walddorf Mitteilungen über das Erdbeben von Lissabon 1755 und über den Eindruck, den dies furchtbare Naturereignis in Europa machte. Der Pfarrer von Reichstädt berichtet über den Übertritt Augusts des Starken 1697, der von Topfseifersdorf über den Durchzug der Salzburger Emigranten. Selbst an poetischen Schilderungen fehlt es nicht; im Kirchenbuch zu Ölsnitz i. V. wird die Verwüstung von 1632 in Versen beschrieben; sonst finden sich häufig in den Kirchenbüchern lateinische Distichen und kurze Stossseufzer in deutscher gebundener Rede. Reiche Ausbeute liefern die Kirchenbücher für die Geschichte der Kriege. Da Sachsen seit der Reformation der Schauplatz aller grösseren Kriege gewesen ist, so bietet fast jedes Kirchenbuch einen Beitrag zur Kriegsgeschichte. Kürzere Notizen über den Schmalkaldischen Krieg liefern die Kirchenbücher von Altmittweida und der Stadt Borna,(69 ≡)
über den dreissigjährigen Krieg die von Altleisnig, Aue, Grumbach bei Meissen, Herzogswalde, Hohnstein, Kleinschirma, Langhennersdorf, Leipzig Nikolaikirche, Marbach, Pausitz, Regis, Reinsdorf, Röhrsdorf, Stollberg, Tharand, Wurzen und andere. Vom „schwedischen Einfall" unter Karl XII. erzählen die Kirchenbücher von Hirschfelde, Kleinwolmsdorf, Kottmarsdorf, Pretzschendorf, Rossau, Stötteritz und Zschoppach, vom zweiten schlesischen Kriege die zu Grumbach bei Meissen und Seusslitz. Der siebenjährige Krieg erhält dankenswerte Illustrationen durch Mitteilungen in den Kirchenbüchern von Borna bei Oschatz, Fördergersdorf, Greifendorf, Kleinbautzen, Langenbach bei Schneeberg, Lengenfeld, Malschwitz, Schellerhau und Zscheila, die Napoleonischen Kriege durch Notizen von Berggiesshübel, Bösenbrunn, Klix, Lichtenberg bei Freiberg, Mittelsaida, Oberfrankenhain, Rammenau, Reichenau, Reinsdorf, Schönfeld, Seusslitz, Stöntzsch und Stötteritz. Auch an längeren Berichten über geschichtliche Einzelheiten fehlt es nicht. Die Pfarrer von Bernstadt und Hirschfelde berichten über Erlebnisse im dreissigjährigen Krieg, der Pfarrer von Burkhardtswalde über die Ermordung des Pfarrers Eckardt von Tanneberg im Jahre 1635. Baners Einfall 1640 behandelt Cranzahl, Torstensons Einfall 1642 Glaubitz, den Durchzug desselben Etzdorf, die Plünderung des Dorfes durch die Wallensteiner Krebes. Beiträge zum zweiten schlesischen Krieg liefert Elstra. Über den siebenjährigen Krieg handelt Topfseifersdorf, über den Aufenthalt der Truppen Friedrichs des Grossen im Dorfe 1757 Goldbach, über den Elbübergang der preussischen Armee 1760 Zehren; der Pfarrer von Crossen aber beschreibt die Kriegsdrangsale von 1758—61 in der Sprache von Cäsars bellum gallicum. Eine Episode aus dem bairischen Erbfolgekrieg, den Einfall des Oberstleutnants von Geisau 1778 und das Friedensfest 1779 beschreibt der Pfarrer von Schönberg bei Brambach, der bei dem Überfall persönlich gefährdet war. Auch über die Napoleonischen Kriege fliessen die Nachrichten reichlich. Ein Bericht über (70 ≡)
die Schlacht bei Jena steht im Kirchenbuche von Niebra, ein solcher über die Schlacht bei Bautzen in dem von Guttau, einer über die Schlacht bei Leipzig in dem von Baalsdorf. Der Pfarrer von Breitenau schildert den zweitägigen Aufenthalt Napoleons in seinem Pfarrhause 1813, der Pfarrer von Tanneberg beschreibt die Durchzüge von Truppen, die Pfarrer von Böhlen, Flöha und Fremdiswalde überliefern uns, was ihre Gemeinden in den Tagen „der Angst und des Schreckens" 1813 ausgestanden. Bis in die neuesten Zeiten spiegeln sich die kriegerischen Ereignisse in Deutschland in den sächsischen Kirchenbüchern wieder, auch die von 1866 und 1870-71, und aus den verstreuten Einzelschilderungen liesse sich ein Mosaikbild herstellen, das selbst ausführliche Werke über Deutschlands Geschichte wertvoll ergänzen würde. IV.Es wurde bereits auf die Register und Akten hingewiesen, die als Ergänzungen oder als Ersatz der Kirchenbücher gelten können. Die Kirchrechnungen, welche in manchen Gemeinden bis weit hinter die Kirchenbücher zurückgehen, in Rodersdorf bis 1488, sind in Sachsen ähnlich gut erhalten wie die Kirchenbücher und liefern für Orts- und Kulturgeschichte ähnliche Ausbeute wie jene. Auch die Beicht- und Kommunikantenregister, die jedoch weit nicht in allen Gemeinden geführt worden sind, sind wertvolle Quellen zur Kenntnis der Vorzeit. In manchen Gemeinden, wo die Kirchenbücher Lücken haben, aber die Beichtregister vollständig erhalten sind, wie in Taltitz, ersetzen sie das Fehlende in sehr willkommener Weise. Seelenregister und Familienbücher, welche manche Pfarrer angelegt haben, bilden wertvolle Schlüssel zu den Kirchenbüchern. Auch die alten Kirchständeregister haben Wert, wenigstens zur Aufhellung der Verwandtschaftsverhältnisse in den Gemeinden. Lebensläufe, wie sie bei Begräbnissen vom Schulmeister verfasst und vom Pfarrer verlesen und sodann in den Archiven niedergelegt worden sind, bieten interessante(71 ≡)
Blicke in das Leben der Einzelpersönlichkeiten. Frankenthal und Mülsen St. Michael besitzen solche. Matrikeln beleuchten die Geschichte des geistlichen Standes. Abschriften von Urkunden, wie sie den Turmknöpfen einverleibt wurden, berichten über die Lage der Gemeinden nach allen Seiten hin. Geschriebene Ortschroniken, wie sie manches Pfarrarchiv aufweist, liefern reichen Stoff zur Kenntnis der Vergangenheit. Einzelne Archive bewahren in ihrem Aktenmaterial geschichtliche Dokumente von allgemeinem Interesse. Callenberg besitzt einen lateinischen Ablassbrief von 1323, Eula einen solchen aus dem 15. Jahrhundert, Dohna alte Censitenbücher von 1509-50, Kesselsdorf eine Niederschrift des letzten katholischen Pfarrers, der 1513-42 dort amtierte, Reinersdorf Aufzeichnungen über Georg von Kommerstädt, Wolkenburg biographische Mitteilungen über den ersten evangelischen Pfarrer und dessen Trauschein von 1529, Schönfeld ein Inventarium über das Gewölbe des kursächsischen Hauses in Wittenberg von 1554. Was der Pfarrer von Leutzsch in seinem „Amtstagebuch" 1753-74 über den siebenjährigen Krieg und der Pfarrer Trommler von Rodersdorf in seinem Kriegsdiarium 1756-63 über denselben Gegenstand aufgezeichnet hat, darf Anspruch auf Beachtung des heimischen Historikers machen. Die Erlebnisse des Pfarrers von Grosszschocher in der Zeit von 1806-15 hat Gustav Freytag bereits in seinen Bildern aus der deutschen Vergangenheit verwertet. Von ähnlicher Bedeutung ist der Bericht des Pfarrers von Possendorf über die Schlacht bei Dresden im dortigen Pfarrarchiv. Möchte die Neue sächsische Kirchengalerie diese Schätze erschliessen. Es erübrigt noch ein Wort über die Kirchenbücher Sachsens, welche nicht der Landeskirche angehören. Die beiden reformierten Gemeinden zu Leipzig und Dresden haben Kirchenbücher seit 1701 bezw. 1764. Bei den römisch-katholischen Kirchenbüchern[30] sind zu unterscheiden,(72 ≡)
die der Oberlausitz und die der Erblande. In der Oberlausitz, wo sich alte katholische Gemeinden befinden, gehen sie teilweise bis ins 17. Jahrhundert zurück. Die ältesten sind die von Seitendorf, welche 1622 beginnen, dann folgt Königshain mit seinem Taufregister 1626, Ostritz 1633, Königshain mit seinem Trau- und Totenregister 1643, Crostewitz mit dem Taufregister 1654. Die Kirchenbücher der übrigen alten Gemeinden stammen erst aus dem Ende des Jahrhunderts. In den Erblanden ist das erste das Tauf- und Trauregister der Hofkirche in Dresden 1709, dann folgt das Trauregister der Leipziger Kapelle 1710, das Taufregister ebenda 1711, das Dresdner Totenregister 1724 und die drei Register zu Hubertusburg. Die meisten andern Kirchenbücher beginnen erst im 19. Jahrhundert. Dasselbe gilt von den andern kirchlichen Gemeinschaften Sachsens. Damit schliessen wir unsern Bericht, der nur die Einleitung sein sollte zu dem nun folgenden Verzeichnisse der Kirchenbücher, das auf der Grundlage der Fragebogen bearbeitet ist. Verzeichnis der Kirchenbücher im Königreich Sachsen.Die Jahreszahlen unter den Rubriken „Tauf-, Trau- und Totenregister" bezeichnen das Datum des Beginns der Register mit Jahresanfang. Der Ausdruck „Lücke" bedeutet, dass von dem Register in den bezeichneten Jahren nichts, der Ausdruck „lückenhaft", dass wenig mehr vorhanden ist. Die Jahreszahl unter dem Namen der Parochie giebt den Termin der Gründung oder Abtrennung an und ist nur dann hinzugefügt, wenn sie zum Beginne des Kirchenbuchs irgendwie in Beziehungen steht. Zum genaueren Verständnis des Verzeichnisses ist das Handbuch der Kirchenstatistik 1900 hinzuzuziehen. Unter Beicht- und Kommunikantenregistern sind nicht die ziffernmässigen, sondern die namentlichen Verzeichnisse der Kommunikanten zu verstehen; über sie, die Kirchrechnungen u. s. w. sind nur dann Angaben gemacht, wenn sie aus älterer Zeit stammen. Als Abkürzungen für die Namen der Ephorien sind gewählt: Gl. = Glauchau, Gr. = Grimma, Gh. = Grossenhain, Mg. = Marienberg, Mn. = Meissen, Pi. = Pirna, Pl. = Plauen; die übrigen verstehen sich von selbst.
Anmerkungen
Anmerkungen der GenWiki-Redaktion (GWR)
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